Jahrhundertealte Bäume wirken erhaben und geheimnisvoll. Sie besitzen Charakter: Wuchsform, Stamm, Rinde und Wurzelstrukturen erzählen ihre Geschichte. Bäume sind stumme Zeitzeugen. Könnten sie Geschichten aus ihrem Leben erzählen, dann würden ihre Berichte ganze Bibliotheken füllen.
Burglinde in Homberg/Ohm
Vogelsbergkreis
Alter: 400–420 Jahre
Stammumfang (2000): 9,15 m
Was wäre eine Burg ohne ihre alte Burglinde? In Homberg an der Ohm ziert eine knorrige Sommerlinde (Tilia platyphyllos) den Zwinger neben dem Eingangstor.
Bei unserem ersten Besuch im Jahr 1986 erkundeten wir den tiefen Spalt im Stamm
der Linde, der spiralförmig ins Herz des Baumes führt. Im Inneren war es stockfinster,
nur vom oberen Ende des hohlen Stammes her schimmerte Licht herein, gedämpft durch das Grün der Blätter.
Die Geschichte von Burg und Linde soll bis ins 12. oder 13. Jahrhundert zurückreichen. Der Burgberg selbst könnte schon früher befestigt und bewohnt gewesen sein. In seinem – für uns wegweisenden – Bildband »Alte liebenswerte Bäume in Hessen« beschreibt der damalige Landesforstmeister Hans Joachim Fröhlich die Geschichte der alten Burglinde.
Demnach soll bereits auf einer Federzeichnung aus dem Jahr 1591 das Burgtor vom
Laubwerk einer mächtigen mehrhundertjährigen Linde verdeckt sein. Sollte die Linde im ersten Bauabschnitt der Burg gepflanzt oder gesät worden sein, so müsste sie auf etwa 800 Jahre eingeschätzt werden. Im Jahr 1925 brach die Krone des Baumes bei einem Orkan zusammen. Der Lebenswille der Burglinde blieb ungebrochen. Eine neue, vollbelaubte Krone ist über der Bruchstelle entstanden.
Standort:
Im Zwinger vor der Burg in Homberg/Ohm. Auf Privatgrund.
Hainbuche im Tierpark Kirchrode
Stadtkreis Hannover
Alter: 200–350 Jahre
Stammumfang (2001): 5,22 m
Die alte Hainbuche (Carpinus betulus) im öffentlichen Tierpark von Kirchrode bei Hannover sucht landesweit ihresgleichen. Sie ist eine eindrucksvolle Demonstration dafür, welche architektonischen Glanzleistungen mit dem »hanebüchenen«, zäh-festen Hainbuchenholz zu verwirklichen sind. Das Holz der Hainbuche ist am stoßfestesten von allen heimischen Hölzern und wiegt mit durchschnittlich 0,82 g/cm3 sogar mehr als das 0,67 g/cm3 schwere Holz der Eiche. Der stabile Erdstamm der Park-Hainbuche zeigt die arttypische Spannrückigkeit, er ist wulstig, wellig und verdreht. Nach 4 m spannen sich 12 Äste strahlen förmig zur Krone auf, 20 m in die Höhe und 31m in die Breite. Ein besonders dicker Ast legt sogar etwa 17 m weit zur Seite aus.
Der großzügige Tierpark, der eine geschützte Entwicklung der Hainbuche garantierte, wurde 1679 angelegt. Heute bietet er einen ansprechenden und zudem kostenfreien Einblick in unsere heimische Tierwelt. Dank der schönen Hainbuche, auch als »Ludwig-Richter-Buche« bekannt, ist der Park um eine Attraktion reicher.Ebenfalls sehenswert sind übrigens 2 Eichen-Naturdenkmale, die sich vor dem Eingang sowie im vorderen Parkteil befinden.
Standort:
Im Tierpark in Kirchrode, einem Stadtteil
Hannovers, Infotafeln weisen den Weg
Tanzlinde bei Effeltrich
Kreis Forchheim
Alter: 400–670 Jahre
Umfang (2000): 7,77 m
Das Schicksal der alten Sommerlinde (Tilia platyphyllos) auf dem Dorfplatz in Effeltrich ist eng mit der Ortstradition verknüpft. Hinter dem Ortsnamen Effeltrich verbirgt sich die Bedeutung »apfelreich«. So wurden die jungen, senkrechten Triebe der geleiteten Linde zur Gewinnung von Bast für Veredlungen in der Apfelzucht verwendet.
Daneben diente die imposante Tanzlinde stets als zentraler Versammlungs- und
Gerichtsort sowie als Fest- und Tanzplatz. Im 19. Jahrhundert fanden unter der Linde romantische »Mondscheinnächte« mit Musik und Gesang statt, die das akademische Publikum aus der Universitätsstadt Erlangen anlockten.
Die flach-ovale Krone der vitalen Linde ruht auf einem ringförmigen Balkengerüst, das
von 24 Stützen getragen wird. Damit der Baum nicht an Wassermangel leidet, hat
man ihn neuerdings außerhalb des Kronenbereichs mit einem lückenreichen Pflaster umgeben. Eine sinnvolle Maßnahme, denn Wurzeln der Linde wurden einmal in einem
40 m entfernten Misthaufen entdeckt.
Standort:
Auf dem Dorfplatz gegenüber der alten Wehrkirche in Effeltrich.
Alle Texte und Fotos in diesem Artikel sind aus dem Buch:
Stefan Kühn / Bernd Ullrich / Uwe Kühn
Deutschlands alte Bäume
BLV Buchverlag
ISBN: 978-3-8354-1224-8
Preis: €(D) 29,99 / €(A) 30,90 / sFr 40,90
Jahrhundertealte Bäume wirken erhaben und geheimnisvoll. Sie besitzen Charakter: Wuchsform, Stamm, Rinde und Wurzelstrukturen erzählen ihre Geschichte. Bäume sind stumme Zeitzeugen. Könnten sie Geschichten aus ihrem Leben erzählen, dann würden ihre Berichte ganze Bibliotheken füllen. Stefan und Uwe Kühn haben zusammen mit Bernd Ullrich Mythen und Fakten über „Deutschlands alte Bäume“ (BLV Buchverlag) zusammengestellt.