Die lang anhaltenden ergiebigen Regenfälle dieses Jahres zeigen sich in ihren Auswirkungen sehr facettenreich: Gewässeranrainer leiden unter Hochwasser, Landwirten stehen Weiden, Wiesen und Saaten unter Wasser und Gartenbesitzern finden ihre Beete und Balkonkästen zum Heulen. Weithin von den Medien unbeachtet leiden in der Flur und im Garten jetzt aber auch die Vogelbruten dieses Jahres unter den äußerst widrigen Wetterbedingungen. Brutunterstützung ist jetzt angesagt.

Weil die Aufzuchtphase für Elternvögel ein Hetzen nach Futter von den ersten bis zu den letzten Sonnenstrahlen des Tages bedeutet, benötigen sie jetzt sogar noch mehr fettummanteltes Futter als in nahrungsknapper Winterzeit, wenn sie “nur“ sich selbst versorgen müssen.
In Mecklenburg-Vorpommern, Franken oder Ostwestfalen, dort wo in Deutschland noch Störche brüten, ist vielerorts die Brut bereits jetzt verloren. Können die Adebars in guten Aufzuchtjahren bis zu sechs flügge Jungvögel großziehen – hat ihnen der Regen den Bruterfolg unmöglich gemacht. Das anhaltende Nass durchtränkte die Flaumfedern der Küken, was in vielen Fällen zum Tod der Tiere durch Unterkühlung führte – da half auch kein Flüchten unter die Fittiche der Altvögel. Doch es geht längst nicht nur um die Feuchtigkeit von oben. Storchennester stehen unter intensiver Beobachtung von Vogelschützern. So weiß man, dass die Tiere in diesem Jahr deutlich seltener mit Beute für ihren Nachwuchs an den Horst zurückgekehrt sind – zusätzlich zur Nässe hatten die Jungstörche empfindlich unter dem wetterbedingt geringerem Nahrungsangebot zu leiden.
Wann haben Sie zum letzten Mal einen Spatzen seine Brut füttern gesehen?

Die Populationen selbst ehemaliger Allerweltsvögel, wie der Spatzen (Haussperlinge), sind sichtbar rückläufig.
Kühles, feuchtes Wetter, das schafft auch für Gartenvögel ein Futterproblem, brandaktuell in der sommerlichen Aufzuchtphase ihrer Jungen. Steht für viele von ihnen doch gerade jetzt die zweite Brut an. Kohlmeisen beispielsweise brüten bis Ende Juni, bis in den Juli Amseln, Braunkehlchen, Dorngrasmücken, Hänflinge, Mönchsgrasmücken und Singdrosseln, bis in den August hinein Distelfinken (Stiglitze), Dompfaffen (Gimpel), Goldammern, Grünfinken und Sperlinge. Das Ernährungsproblem der Flattermänner ist ein Doppeltes: Zum einen reifen in diesem Jahr die üblicherweise von den Gartenvögeln für Aufzuchtzwecke gepickten Samen witterungsbedingt später und stehen den Vögeln damit noch nicht zur Verfügung. Zum anderen füttern auch Körnerfresser wie beispielsweise die Spatzen ihre Brut anfangs mit Insekten, z.B. Blattläusen. Die Insektenfresser, wie die Meisen und Grasmücken, tun das sowieso. Das nasskalte Wetter wirkt sich auch auf die Verfügbarkeit von Insekten aus. Die Vögel haben schlicht nichts zu fressen.
Die mangelnde Verfügbarkeit von Futter bereitet Vogelschützern zunehmend Kopfzerbrechen. Die Populationen selbst ehemaliger Allerweltsvögel, wie der Spatzen (Haussperlinge), sind sichtbar rückläufig. Ursache ist hier der Mensch, denn die Struktur ehemals von der Landwirtschaft geprägter Dörfer hat sich stark gewandelt: Wo Wildwuchs am Zaun gepflasterten Flächen gewichen ist, wo naturnahe Gärten schnieke herausgeputzt wurden, da fehlt ganz zwangsläufig die so genannte Ruderalflora mit ihren Blüten und Insekten, ihren Samenständen und Früchten. Wo es keine Pfützen mehr gibt, finden Mehlschwalben keinen feuchten Lehm mehr für den Nestbau. Wo Stallungen und mit ihnen Misthaufen verschwunden sind, jagen keine Rauchschwalben und Mauersegler mehr über dem Dorfhimmel.
Vogelfütterung ist heute ein Ganzjahresthema

Kühles, feuchtes Wetter, das schafft auch für Gartenvögel wie ein Futterproblem, brandaktuell in der sommerlichen Aufzuchtphase ihrer Jungen.
Zusammen mit Vogelschützern und Gartenliebhabern, haben Gartencenter und Zoofachhändler das komplexe Problem der Nahrungsknappheit für Gartenvögel in letzter Zeit vermehrt erkannt. Durch das nasskalte Wetter der letzten Wochen hat sich das Problem in diesem Jahr noch verschärft. Um Abhilfe bemüht, setzen sie zunehmend auf die Ganzjahresfütterung von Gartenvögeln, und zwar bei jedem Wetter. Dabei ist zu beachten, dass sich das Vogelfutter im Sommer von dem im Winter unterscheiden muss, da die Tiere in dieser Jahreszeit ganz andere Bedürfnisse haben. Weil die Aufzuchtphase für Elternvögel ein Hetzen nach Futter von den ersten bis zu den letzten Sonnenstrahlen des Tages bedeutet, benötigen sie jetzt sogar noch mehr fettummanteltes Futter als in nahrungsknapper Winterzeit, wenn sie „nur“ sich selbst versorgen müssen. Sommerliches Aufbaufutter, ernährt denn auch beide: Alt- und Jungvögel mit energiereicher Kost und die Brut zusätzlich mit einem hohen Anteil an getrockneten Insekten in der Rezeptur. Die landläufige Befürchtung, Gartenvögel könnten angesichts des nun auch im Sommer für sie von Menschenhand gedeckten Tisches nur noch bequem ernähren lassen, ist kein Thema. Vögel sind vielmehr instinktgesteuert und lassen sich auch weiterhin von ihrem natürlichen Jagdtrieb leiten. Das Nahrungsangebot aus Menschenhand nutzen sie lediglich zusätzlich. Das tun sie allerdings intensiv und gerne, und es trägt dazu bei, dass sie ihre Bruten bei jedem Wetter durchbringen.
TEXT: GPP
FOTOS: GPP/Weizhofer