Staudenpracht und Gartengeräte sind untrennbar miteinander verbunden. Und selten findet man Pflanzen liebevoller mit antiken Dingen präsentiert als an den Ständen der Staudengärtnerei Herwig.
Gärtner aus Leidenschaft
Morgens um sieben, wenn die Welt noch in Ordnung ist, und meist auch schon früher, dann ist Dagmar Herwig bereits im Transporter unterwegs auf dem Weg nach Hamburg. Gern an ihrer Seite und immer, wenn seine Zeit es erlaubt, ihr Freund Bonnich, der gelernter Staudengärtner ist. Ihr Ziel ist ein „Stück Acker“ in den Viermarschlanden, weit hinter den zahlreichen Flächen, die zu Hamburgs traditionellem Anbaugebiet für Gemüse- und Blumenzucht gehören; dort, wo eigentlich schon nichts mehr kommt, da wollen sie hin. Zu ihrer „Gärtnerei“. Das sind 6000 Quadratmeter Freifläche, auf denen ihre Lieblinge wachsen und gedeihen. Mutterpflanzen findet man nur wenige, die meisten ihrer Pflanzen ziehen sie aus Saat selbst. So weit das Auge reicht, stehen hier dicht an dicht kleinere und größere Töpfe auf schwarzer Gewebefolie. Während der Saison sind die beiden Vollblutgärtner fast täglich hier anzutreffen, obwohl die Beregnung automatisiert ist und ein hilfsbereiter Nachbar, ebenfalls ein Staudengärtner, hin und wieder ein Auge auf die Pflänzchen wirft. Vor allem dann, wenn Dagmar Herwig mal wieder auf einem der beliebten Pflanzenmärkte und Gartenfestivals in der norddeutschen Region steht: etwa auf Schloss Ippenburg, dem Berliner Staudenmarkt, Pflanzenmarkt am Kiekeberg oder beim Gartenzauber auf Gut Bissenbrook.
Bauerngartenstauden bevorzugt
Fragt man die Gartenautodidaktin, die sich seit acht Jahren voll und ganz den Stauden widmet, wofür die Staudengärtnerei Herwig steht, antwortet sie: „Wir haben ein kleines, feines Sortiment, keine Raritäten oder Exoten, sondern Pflanzen, die bei uns hier im Norden funktionieren, also zum Klima passen. Unsere Stauden müssen keine Kunststücke können, aber sie müssen mir gefallen.“ Und das sind typische Bauerngartenstauden wie Sonnenhut, Rittersporn, Engelwurz, Frauenmantel, Schafgarbe, Stockrosen und Fingerhut; ein paar einfache Kräuter wie Thymian oder Liebstöckel sind gern mit von der Partie und Semperviven. „Sie alle passen in ihrer Bodenständigkeit gut zu den bäuerlichen Alltagsgegenständen und den historischen Gartengeräten, meiner zweiten großen Leidenschaft“, so die gelernte Floristin.
Die Liebe zu alten Dingen
Eine innere Verbundenheit zu alten Dingen entdeckt Dagmar Herwig schon als Kind. Das alte Spielzeug vom Onkel ist einfach interessanter als neues. Und auch später in den Achtzigern, dem Jahrzehnt des schlechten Geschmacks, fühlt sie sich wohler in der Umgebung von alten, gelebten Dingen. Ihr persönlicher Einrichtungsstil trägt bis heute viele charmante Gebrauchsspuren, eben Shabby Chic. Dieses Faible teilt übrigens auch ihr Freund Bonnich. Und das ist erst der Anfang … werden auf den ersten Märkten praktisch nur die Pflanzenüberschüsse von Aufträgen des Freundes aus schmucklosen schwarzen Plastikkisten verkauft, so wachsen allmählich die Märkte und mit ihnen die Ansprüche. Die Stände will die begeisterte Staudengärtnerin unbedingt schöner präsentieren. Kurzerhand wandern alte Stieltöpfe oder antikes Steingut aus dem privaten Fundus mit auf die Märkte. Was zunächst nur als Deko gedacht ist, weckt immer mehr Interesse bei den Kunden. Spätestens ab da sind die beiden Staudengärtner regelmäßig als Jäger und Sammler auf den Antik- und Trödelmärkten unterwegs in Deutschland, Frankreich, Belgien und Dänemark. „Ich werde bei Emaille, altem Porzellan, weißem und blauem Steingut schwach, und an Glas komme ich auch nicht vorbei. Bonnich hält am liebsten Ausschau nach Werkzeugen und Zink.“ Manche Besonderheiten an historischen Gartengeräten bekommen sie sogar per Post, von Freunden aus England. „Mich faszinieren kleine Handgrabeschaufeln mit knubbeligen Holzgriffen, die alten englischen Gewächshauskannen mit den langen Ausgießern oder ausgefallene Heckenscheren mit skurrilen Formen“, erzählt Dagmar Herwig voller Begeisterung. „Die Engländer haben für jede Tätigkeit ein Gartengerät entwickelt. Da gibt es spezielle Farnschaufeln, extra Pflanzschaufeln für Erdbeeren! Das ist echt verrückt! Und dahinter steckt so viel Gartenkultur.“
Mit Kreativität und Geduld entstehen taumhafte Marktstände
Heute stehen ihre Pflanzen auf dem Märkten stilecht in wunderschönen antiken Holzkisten aus Holland. Diese wurden speziell zum Trocknen von Blumenzwiebeln verwendet. Zu Hause werden im Vorwege Pläne geschmiedet, wie man den Stand diesmal dekoriert, Skizzen gemacht und der Transporter vollgeladen – mehrfach. Und dann geht der Aufbau los. Da ist zunächst der riesige Berg an Pflanzen und antiker Deko bis hin zu den Sammlungen historischer Gartengeräte. Bis alles richtig steht, braucht es schon mal zwei bis drei Tage, Kreativität und Geduld. Erst allmählich entwickelt sich aus dem Chaos ein ansprechender Stand. „Wir wollen begehbare Räume schaffen, in denen
es für die Kunden überall kleine Überraschungen zu entdecken gibt“, so Dagmar Herwig. Dazu schaffen sie Nischen, wo die Farben fein aufeinander abgestimmt sind, eine blaue oder eine weiße Ecke. Je nach Stand bieten sich alte Bäume an, die ins Geschehen integriert werden. Die Staudengärtnerin möchte den Menschen den Garten als erweiterten Wohnraum präsentieren. Und so kann da auch schon mal zur Überraschung vieler Besucher ein Bett stehen – gefüllt mit blühenden Thymian-sorten, in dem es summt und duftet wie auf einer Sommerwiese. Und wovon träumt man sonst noch? Die Antwort der beiden Gartenprofis kommt prompt und unisono: „Von noch mehr Shabby Chic und einem altem Resthof irgendwo an der Küste!“
TEXT: Martina Raabe
FOTOS: Gartenzauber (1), Andreas Lampe (3), Anrdré Reuter (2), Staudengärtnerei Herwig (1), Kolja von der Lippe (2)