Geprägt von warmen Farben, bunten Blättern und klarer Luft stimmen die Gedichte und Sprüche von Erich Kästner, Eduard Mörike oder Rainer Maria Rilke auf die herbstliche Jahreszeit ein. Untermalt mit herbstlichen Impressionen lässt es sich in unseren zauberhaften Gedichten wunderbar schmökern.

Der September
Das ist ein Abschied mit Standarten
aus Pflaumenblau und Apfelgrün.
Goldlack und Astern flaggt der Garten,
und tausend Königskerzen glühn.
Das ist ein Abschied mit Gerüchen
aus einer fast vergessenen Welt.
Mus und Gelee kocht in den Küchen.
Kartoffelfeuer qualmt im Feld.
Altweibersommer weht im Wind.
Das ist ein Abschied laut und leise.
Die Karussells drehn sich im Kreise.
Und was vorüber schien, beginnt.
aus: Erich Kästner, Der September
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Im Herbst sammelte ich
alle meine Sorgen und vergrub
sie in meinem Garten.
Als der Frühling wiederkehrte – im April –
um die Erde zu heiraten,
da wuchsen in meinem Garten schöne Blumen.
Khalil Gibran
Der Herbst ist der Frühling des Winters.
Henri de Toulouse-Lautrec
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Der Frühling ist zwar schön;
doch wenn der Herbst nicht wär’,
wär’ zwar das Auge satt,
der Magen aber leer.
Friedrich Freiherr von Logau
Ich liebe das Septembergelb,
den Morgentau auf Spinnenfäden,
das Blatt, das nichts am Baum mehr hält,
der kurze Tage stummes Reden.
Der Krähe Ruf, das Stoppelfeld –
mehr, als des Frühlings Drang und Hast,
ist es der Herbst, der zu mir passt.
A. Smith
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Septembermorgen
Im Nebel ruhet noch die Welt.
Noch träumen Wald und Wiesen.
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
den blauen Himmel unverstellt,
herbstkräftig die gedämpfte Welt
in warmem Golde fließen.
Eduard Mörike (1804 – 1875)
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Ich wünsche dir die zärtliche Ungeduld des Frühlings
das milde Wachstum des Sommers,
die stille Reife des Herbstes
und die Weisheit des erhabenen Winters.
Irischer Segenswunsch
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Aus den Träumen des Frühlings
wird im Herbst Marmelade gemacht.
Peter Bamm
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Herbsttag
Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.
Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und
jage
die letzte Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
Rainer Maria Rilke
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Der Herbst ist ein zweiter Frühling,
wo jedes Blatt zur Blüte wird.
Albert Camus
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Herbstbild
Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
Die schönsten Früchte ab von jedem Baum.
O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält,
Denn heute löst sich von den Zweigen nur,
Was vor dem milden Strahl der Sonne fällt.
Friedrich Hebbel