Während Hummeln und Mauerbienen erst seit einigen Jahren als Bestäuber in Gewächshäusern und Obstplantagen eingesetzt werden, machen die Menschen sich die Honigbienen schon seit vielen tausend Jahren zunutze. Was zunächst einfach Honigraub war, führte zur einzigen domestizierten Insektenart der Welt. Über lange Zeit pflegten Mensch und Biene ein gutes Auskommen miteinander. Doch in der jüngsten Vergangenheit scheint sich das Blatt zu wenden …
Honigbienen, die einzigen domestizierten Insekten der Welt
Es gibt weit mehr als die eine Million beschriebener Insektenarten – man schätzt bis zu 30 Millionen Arten weltweit. Hierzulande assoziieren die meisten Menschen beim Wort „Insekt“ leider nicht viel Gutes: Bekannt sind sie als Schädlinge von Nutz- und Zierpflanzen, als Blutsauger, Parasiten oder Vorratsschädlinge. Ekel und Abneigung sind vorprogrammiert. Als proteinreiche Nahrung werden Insekten hingegen in vielen anderen Teilen der Erde geschätzt. Mindestens 500 Insektenarten stehen weltweit auf den Speiseplänen vieler Völker. Unseren Ekel davor, Würmer oder Heuschrecken zu essen, verstehen sie nicht. Doch auch wenn diese Speiseinsekten in großer Zahl vom Menschen gehalten, vermehrt und verkauft werden, sind sie nicht domestiziert im Sinne von „dem Menschen untertan gemacht“. Bei Haus- und Nutztieren allerdings – so auch bei der Honigbiene – wurden durch ausgeklügelte Zucht, Haltungssysteme und Spezialfütterungen diese Tiere ihrer Wildheit beraubt und domestiziert. Die auf Sanftmütigkeit gezüchteten Honigbienen erlauben dem Menschen, mit ihnen umzugehen. Es entstehen regelrechte Freundschaften zwischen Mensch und mancher Tierart. Hund, Katze, Vogel und natürlich das Pferd sind wohl die Klassiker.
Vom Wildtier zum Haustier
Das Spezielle an der Honigbiene ist nun, dass Insekten niemals eine persönliche Bindung zum Menschen knüpfen könnten – sie sind dazu nicht ausgelegt. Unsere Kommunikationswelten sind zu verschieden und die Lebensdauer einer Biene in der Regel viel zu kurz. Es bleibt also entscheidend für jeden Bienenhalter, die Gesamtheit des Biens durch gutes Beobachten und das Zurateziehen von Erkenntnissen der Bienenforscher zu verstehen. Man braucht die Wissenschaft allerdings nicht zurate zu ziehen, um ohne lange zu überlegen auf „Bienisch“ das eindeutig kommunizierte Signal des Missfallens zu begreifen: Gleich greife ich an und steche dich. Sie werden von allen Fressfeinden und Honigräubern – einschließlich dem Menschen – spontan als Warnung verstanden: Nicht näher kommen!
Anstatt dies zu tolerieren und Abstand zu wahren, verstand der Mensch es, die Honigbienen auf Sanftmut zu züchten. Das bedeutet, viele der im Handel käuflichen Bienen stechen weit seltener als die Bienenpopulationen, die noch ursprünglich, wild und frei in den Landschaften vieler Länder unterwegs sind. Auch wurden die modernen Rassen auf Wabenstetigkeit selektiert. Das bedeutet, sie bleiben auf den Waben sitzen, wenn der Imker diese aus der Bienenbehausung zieht. Bei wilden Honigbienenvölkern undenkbar! Die dritte Eigenschaft, die der Imker natürlich gern selektierte, ist die Effektivität des Futtereinholens, die sogenannte Sammelfreudigkeit. Die ist nicht nur mit Blick auf einen höheren Honigertrag interessant für den Imker. Sie ist notwendig, weil inzwischen die durch Imker betreuten Völker etwa fünf – mal so stark sind wie die wildlebenden Honigbienenvölker. Normalerweise umfassen wildlebende, nicht manipulierte Honigbienenvölker etwa 10.000 Individuen. Wenn Imker nun vermehrungsbereite Bienen züchten und gleichzeitig die Bienenhäuser so gestalten, dass sie das Volumen der Bienenhäuser jederzeit vergrößern können, sobald ein Volk wächst, kann die natürliche Volksteilung der Honigbienen und damit das Schwärmen verhindert werden. So können Bienenvölker heute bis zu 60.000 Individuen stark werden. Eine hochgezüchtete Königin legt bis zu 3.000 Eier pro Tag! Die daraus schlüpfenden Larven wollen alle versorgt werden. Auch für die Drohnen und die im Stock arbeitenden Bienen ist viel Futter heranzuschleppen. Das erfordert eine hohe Sammelfreudigkeit der Arbeiterinnen. Eine weitere wichtige Eigenschaft, die von Bienenzuchtanstalten als wertvoll erachtet wird, ist die Schwarmträgheit der Honigbienen. Das bedeutet, dass die Bienenvölker sich im Frühjahr nicht sofort teilen, sobald es etwas enger wird im Kasten. Das bringt dem Imker Ruhe und führt zu höherem Honigertrag.
Kleine Kulturgeschichte der Honigbienenhaltung
Erste überlieferte Felsenmalereien, die von schmerzhaften Erfahrungen unserer nomadischen Vorfahren mit Honigbienen erzählen, stammen aus den Jahren zwischen 10000 bis 7000 vor Christus. Die erste bildhafte Darstellung der Bienenhaltung ist eine Wandmalerei, die etwa im Jahr 5000 vor Christus in Çatal Hüyük, einem Heiligtum im anatolischen Hochland entstand. Vielleicht wurde hier die Bienenhaltung am Haus zum ersten Mal entwickelt. Von hier aus verbreitete sich die Idee der systematischen Bienenhaltung dann durch Handelsbeziehungen in die frühen Hochkulturen Ägyptens und des Zweistromlandes. Die Vorrausetzung für die Honigbienenhaltung am Haus und später deren Zucht war das Sesshaftwerden der Menschen. Frühste Nachweise von Klotzbeuten stammen aus einer Pfahlbausiedlung um 3380 vor Christus. In einer Klotzbeute aus Berlin-Lichterfelde um 1080 vor Christus konnte schon ein für damalige Verhältnisse moderner, zweiteiliger Innenraum nachgewiesen werden. An einem eingesetzten Rost aus Zweigen im oberen Drittel der Beute konnte das Bienenvolk die Brutwaben und darüber am Deckel die Honigwaben anbauen. Die Betriebsweise mit Klotzbeuten und Klotzstülpern verbreitete sich besonders in waldreichen Regionen, wohingegen sich in waldärmeren Gebieten eher Rutenstülper oder geflochtene Strohkörbe, wie in der Heideimkerei, durchsetzten.
Die Ägypter waren wild auf Honig
Kurz nachdem im Jahr 3000 vor Christus das ägyptische Reich gegründet wurde, wurde die Imkerei und vor allem die Wanderimkerei systematisch und wissenschaftlich betrieben. Viele Bienenvölker wurden von Unterägypten auf Schiffen nach Oberägypten transportiert, um hier durch Bestäubung die Erträge der Landwirtschaft zu steigern. Diese Nützlichkeit war also schon den Ägyptern bekannt und von ihnen geschätzt. Die Wanderimkerei wir auch heute noch in Ägypten intensiv betrieben. Bei Ausgrabungen von Königsgräbern wurde Honig oft als Grabbeigabe gefunden. Er wurde damals als Heil- und Nahrungsmittel verwendet. Honig galt als „Speise der Götter“ und als Quelle der Unsterblichkeit: Ein Topf Honig wurde mit dem Wert eines Esels aufgewogen. Bei Rames II. bestand der Sold für hohe Beamte zum Teil aus Honig. Der ägyptische Honigbedarf, der sich neben der Verwendung bei Götteropfern und in der Nahrungsherstellung auch auf weite Bereiche der Medizin erstreckte, konnte selbst durch gezielte Maßnahmen (Wanderimkerei) durch den eigenen Markt nicht gedeckt werden. Man führte deshalb Honig aus dem Ausland ein, besonders aus Syrien, Mesopotamien und Kanaan, von dem es wohl nicht umsonst damals hieß, es sei das Land, in dem Milch und Honig fließen.
Griechen und Römer achteten die Bienen
Die Griechen der Antike betrachteten die Honigbienen als Boten der Götter. Der griechische Göttervater Zeus hatte den Beinamen „Bienenkönig“. Die Griechen waren die ersten, die sich theoretisch mit dem Wesen der Honigbiene, der Staatenbildung und der Honiggewinnung auseinandersetzten. Bereits um 600 vor Christus gab es in Griechenland eine voll entwickelte und gesetzlich geregelte Imkerei. Aristoteles (384 bis 322 vor Christus) verfasste das erste Fachbuch über Bienenzucht. Bei den Römern zählte Bienenhaltung zur Allgemeinbildung. Sie bauten Körbe mit Sichtfenstern, um das Verhalten der Honigbienen besser studieren zu können.
Die Germanen, der Met und die Zeidlerei
Bei den Germanen galten Honigbienen als besonders reine Wesen. Die Wirkung des desinfizierten Propolis verschaffte ihnen diese Anerkennung. In ihrer Gegenwart durfte nicht gestritten werden. Die Germanen sind die Erfinder des Met, eines aus Honig und Wein gekochten Suds, den sei gären ließen. Dieses alkoholische Getränk fehlte auf keinem germanischen Fest. Karl der Große bestimmte übrigens im Rahmen eines offiziellen Erlasses , dass jeder Gutshof einen Imker und einen Metbauern beschäftigen musste. Vom 10. Bis zum 19. Jahrhundert wurde der Honig aus der sogenannten Waldbienenwirtschaft gewonnen und stellte die einzige Quelle für Süßstoff dar. Entsprechend hoch geschätzt waren die Menschen, die mit dem damals noch recht stechfreudigen Honiglieferanten umgehen konnten. Standorte der Zeidlerei waren im Mittelalter Gebiete im Fichtelgebirge und im Nürnberger Reichswald. In Bayern etwa ist eine Waldbienenhaltung bereits für das Jahr 959 in der Gegend von Grabenstätt nachgewiesen. Aber auch auf dem Gebiet des heutigen Berlin hatte es ausgedehnte Zeidlerei gegeben, insbesondere im damals noch sehr viel größeren Grunewald. Im 14. Jahrhundert gründeten sich die ersten Imkerzukünfte. Die Berufsimkerei entwickelte sich in der Lüneburger Heide im 16. Jahrhundert. Als im Jahr 1850 die Zuckerrübe als preiswertes Süßungsmittel auf den Markt kam, wurde die noch sehr aufwendige Zeiflerei unattraktiv. Die Imkerei entwickelte sich in den folgenden 150 Jahren rasant und optimierte das Halten der Bienen am Haus. Es wurden Bienenbehausungen (Beuten) erfunden, die es erlaubten, die Bienen auf Rähmchen mit einzelnen Waben heranzuziehen und mit ihnen zu arbeiten. Die Effizienzsteigerung begann.
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Der Text in diesem Artikel ist aus dem Buch:
Cornelis Hemmer, Corinna Hölzer
Wir tun was für Bienen – Wildbienengarten, Nisthilfen und Stadtimkerei
Preis: 16,99 €, ISBN: 978-3440136713
Verlag: Kosmos
Ohne Bienen kommen wir nicht aus, doch unsere Honig- und Wildbienen sind in Not. Parasiten, Krankheiten und Pestizide bedrohen die Honigbiene. Wildbienen sind auf dem Rückzug, ihre Lebensräume werden zerstört und viele Arten stehen auf der Roten Liste. Doch dagegen kann jeder etwas tun: Vom blütenreichen Bienengarten über das selbst gebaute Insektenhotel bis hin zur kleinen Stadtimkerei gibt dieses Buch Anregungen, Tipps und praktische Anleitungen. So wie bei den Bienen viele kleine Individuen ein starkes Volk ergeben, können viele kleine Hilfestellungen für diese Insekten etwas Großes bewirken.