Ob als Bauerngartenpflanze oder charmante Rosenbegleiterin, die Nachtviole ist eine zauberhafte, historische zweijährige mit betörendem Duft, der an Veilchen erinnert. Leider sieht man die früher so beliebte, schöne und ein wenig nostalgisch wirkende Staude nur noch selten in unseren Gärten.
Nachtviole – Hesperis matronalis
Kreuzblütler, Brassicaceae
Heimat: Europa, Mittel- und Südwestasien, in Nordamerika eingebürgert.
Wuchsform: Aufrecht, verzweigt, Horste bildend.
Blatt: Eiförmig bis lanzettlich, gezähnt, rau behaart, dunkelgrün, 10–20 cm lang.
Blüte: Trauben aus 1,5 bis 2,5 cm breiten, fliederfarbenen, abends und nachts angenehm duftenden Blüten.
Blütezeit: Mai bis Juli.
Frucht: Schote.
Wuchs-/Blütenhöhe: 60–70 cm.
Standort: Sonnig bis absonnig in nährstoffreichem, kalkhaltigem, humosem, leicht feuchtem, aber durchlässigem Boden.
Pflege: Wird in der Regel als zweijährige oder kurzlebige Staude kultiviert.
Vermehrung: Durch Aussaat an Ort und Stelle im Frühjahr oder durch grundständige Stecklinge im Frühjahr.
Besonderes: Alle Pflanzenteile sind schwach giftig.
Geschichte
Die Nachtviole wurde seit dem klassischen Altertum in Gärten kultiviert. Schon der griechische Arzt Dioskurides erwähnte im 1. Jh. n. Chr. Eine Viola matronalis mit veilchenähnlichem Duft. Weil die Nachtviole in der Vergangenheit häufig mit der Levkoje (Matthiola incana) verwechselt wurde, weiß man jedoch nicht mit Sicherheit, ob Dioskurides wirklich die Nachtviole meinte. Eindeutiger beschrieb der römische Naturforscher Plinius der
Ältere im 1. nachchristlichen Jahrhundert die Pflanze als hesperis noctu magis olet, also eine Pflanze, „die nachts stark duftet“. Der Botaniker Leonhart Fuchs berichtete 1542 in seinem Buch „De Historia Stirpium“, dass die Nachtviole fast überall in den Gärten zu finden sei. Die lila blühende Form nannte er Braun Veiele (braunes Veilchen) und die damals schon bekannte weiße Form Weiß Veiel. Letztere wurde auch im „Hortus Eystettensis“ von 1613 auf Tafel 119 abgebildet. Selbst gefüllt blühende Formen kannte man bereits im 16. Jahrhundert. Der Professor der Medizin und Botanik Tabernaemontanus (eigentlich Jakob Dietrich aus Bergzabern, 1522–1590, der seinen Namen der damaligen Mode entsprechend nach seinem Geburtsort latinisierte), nannte die Pflanze in seinem „Neuw Kreuterbuch“ von 1588/1591 Viola hyemalis. Sein Berufskollege Matthias Lobelius nannte sie Viola Damascena. Aus dieser Bezeichnung entstand durch Verballhornung der deutsche Trivialname Damaschkenblume. Der Basler Botaniker Caspar Bauhin führte dann 1623 den Namen Hesperis hortensis ein. Dieser Name war allgemein gebräuchlich, bis Carl von Linné 1753 der Art den bis heute gültigen botanischen Namen Hesperis matronalis gab. Der von Linné gewählte Gattungsname leitet sich vom griechischen hesperos (Abend) ab und bezieht sich auf den intensiven Duft, den die Blüten vor allem am Abend und in der Nacht verströmen. Das Epitheton matronalis heißt übersetzt so viel wie „von Frauen gezogen“ und verweist darauf, dass die Nachtviole einst zu den Lieblingspflanzen von Frauen gehörte. Volkstümliche Namen für die Nachtviole lauten denn auch Matronenblume, Frauenviole und Mutterveigele. Die Engländer nennen sie auch dame’s violet, also Frauenveilchen. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war die Nachtviole eine der häufigsten und beliebtesten Zierpflanzen. Die englische Gartengestalterin Gertrude Jekyll (1843–1932) beklagte daher auch, dass sie nicht mehr überall zu sehen sei. Sie meinte, es sei „eine der freundlichsten und mit Sicherheit eine der süßesten Gartenblumen“. Vielerorts war die Nachtviole damals aber noch verwildert anzutreffen und selbst heute findet man sie mitunter in der Natur. Früher wurden die Blätter und Samen der Nachtviole bei Bronchialerkrankungen und Hautausschlägen sowie als harn- und schweißtreibendes Mittel empfohlen, heute spielt die Pflanze in der Schulmedizin keine Rolle mehr. Nicht zu unterschätzen ist aber die Wirkung der Duftpflanze als stimulierendes Mittel, um Gartenfreunde in den Abendstunden zu betören. Auch Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) kannte die reizvolle Staude und verewigte sie in seinem Gedichtzyklus „Vier Jahreszeiten“: „Nachtviole, dich geht man am blendenden Tag vorüber; doch bei der Nachtigall Schlag hauchest du köstlichen Geist“.
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Der Text in diesem Artikel ist aus dem Buch:
Dieter Gaißmayer | Frank M. von Berger
Alte Staudenschätze
Preis: EUR [D] 39,90 | EUR [A] 41,10 | CHF ca. 48,70
ISBN 978-3-8186-0083-9
Verlag: Ulmer
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