Netzwerke gibt es nicht nur unter uns Menschen und in der Technikwelt, sondern auch in der Natur. Sie sind von großer Bedeutung, denn sie verbinden die einzelnen Ökosysteme miteinander zu einem großen Ganzen.
Alles ist mit allem verbunden
Kein Garten ist eine abgeschlossene Parzelle, die, abgesehen vom Wetter, keinerlei Einflüssen von außen unterliegt. Vielmehr herrscht reges Kommen und Gehen, denn jeder Garten ist ein Bestandteil seiner Umgebung.
Sie kennen Ihren Garten gut und Sie kennen das Gelände, das an Ihren Garten grenzt: Vielleicht ist es der Garten einer jungen Familie oder eines älteren Seniorenpaars, ein Park oder eine Grünanlage, vielleicht ist es eine Feld- und Kulturlandschaft oder ein naher Waldrand.
Von dort wandern immer wieder pflanzliche und tierische Besucher in Ihren Garten ein: die Samen von heimischen Blumen sowie Hummeln, Wespen, Vögel, Igel, aber auch Nachbars Katze. Manche Besucher erfreuen Ihr Herz, andere sind weniger willkommen.
Schon diese Gäste aus dem Pflanzen- oder Tierreich zeigen Ihnen, dass Ihr Garten in einer intensiven Beziehung mit der Welt außerhalb Ihres Gartenzauns steht.
Netzwerke ohne Grenzen
Tatsächlich existiert für diese Gäste, anders als für Menschen, keine Grenze zwischen Ihrem Garten und der Welt rundherum – für die meisten jedenfalls: Ein Igel etwa kann nur dann auf Ihr Grundstück gelangen, wenn er einen Durchschlupf findet. Ein unten geschlossener Zaun ist für ihn wie eine Felswand, an der er bei seinen nächtlichen Wanderungen vergeblich entlangläuft – dadurch steigt das Risiko, dass Igel auf der Suche nach der auch in Gärten rar gewordenen Kleintiernahrung Straßen überqueren und überfahren werden: Gründe dafür, dass nun sogar der Igel als bedroht gilt.
Steine, Pilze, Pflanzen und Tiere stehen miteinander in engen Beziehungen, die sich über Jahrmillionen entwickelt haben. Lebewesen, aber auch unbelebte Materie bilden durch unüberschaubare, vielfältige Wechselbeziehungen und Abhängigkeiten ein gewaltiges Netzwerk auf vielen Ebenen: die Ökosysteme.
Einige dieser Beziehungen und ihre Mitspieler kennen wir, doch viele sind uns noch völlig unbekannt. Aus diesem Grund sind Vorhersagen, was bei Störungen passiert oder wie es sich auswirkt, wenn einzelne Mitspieler fehlen, so schwierig.
Solche Netzwerke gibt es überall auf der Erde, von der Tiefsee bis in die Hochgebirge. Und da Ihr Garten weder im Luftraum noch am Boden oder unter der Erde undurchdringliche Grenzen hat, breitet sich sein Netzwerk auch über Ihren Garten hinaus aus. Denn Ihr Garten ist genauso ein Teil der Landschaft und der Netzwerke der Lebewesen wie Felder, Wälder, Parks oder sogar ein Friedhof.
Wie wir das Netzwerk beeinflussen
Allerdings haben Sie natürlich einen großen Einfluss darauf, ob und in welchem Maße das natürliche Netzwerk der Lebewesen in Ihrem Garten Einzug hält. In einem Garten, in dem alles Verblühte sorgfältig abgeschnitten wird, werden sich keine Stieglitze einfinden, die sich von kleinen Sämereien ernähren.
In einem Vorgarten, in dem der Boden konsequent mit Folie und Steinen bedeckt ist, um zum Beispiel den Wuchs unerwünschter Wildpflanzen zu unterdrücken, werden keine Schmetterlinge auftauchen, weil dort ihre Futterpflanzen fehlen.
Schon an diesen beiden Beispielen können Sie erkennen, dass es viel Aufwand bedarf, pflanzliche und tierische Lebewesen aus dem Garten fernzuhalten. Sobald sich aber, wenn man im zweiten Beispiel etwa die Folie entfernt und auf unnötige Pflege verzichtet, zwischen den Steinen feines Substrat gebildet hat – und dafür genügen schon ein paar liegen gebliebene Blätter vom vergangenen Herbst –, keimen dort vom Wind herangewehten Samen aus und beginnen, die Folien-Steine-Welt wieder in das Netzwerk der Natur einzuweben. Wie schnell das geschieht, sobald der Mensch nicht mehr eingreift, haben Sie sicher schon in verlassenen Gärten oder auf brachliegenden Flächen gesehen.
Vielfalt ist überall
Grundlage aller Netzwerke in Ökosystemen – auch derer in Ihrem Garten – sind die unzähligen Arten von Pilzen, Pflanzen und Tieren. Eine große Biodiversität gibt es nicht nur in tropischen Regenwäldern oder intakten Korallenriffen, sondern auch bei uns: In Deutschland leben über 48 000 verschiedene Arten von Tieren – die mit Abstand artenreichste Gruppe unter ihnen sind die Insekten , fast 10 000 verschiedene Pflanzenarten sowie über 14 000 verschiedene Pilzarten. Diese große Vielfalt an Lebewesen ist unsere Lebensgrundlage, von ihr hängt maßgeblich unser Wohlergehen ab.
Doch weil wir, bis auf wenige Restflächen, die ursprünglichen Ökosysteme in Deutschland, Mitteleuropa und anderswo nach unseren Zwecken umgestaltet haben, obliegt uns nun die besondere Fürsorge für die verbliebenen Pflanzen, Pilze und Tiere. Diese Fürsorge hört nicht an Ihrem Gartentor auf. Sie gilt für land- und forstwirtschaftliche Areale ebenso wie für private Flächen.
Komplexe Beziehungen
Pflanzen, Pilze und Tiere stehen in vielfältigen Beziehungen zueinander. Schon mit einem kurzen – allerdings vereinfachenden – Blick darauf entdeckt man schnell Beziehungen, etwa lineare von Nahrungsketten: Blätter vom Sauerampfer – Raupe vom Kleinen Feuerfalter – Kohlmeise – Sperber.
Doch weil jedes Lebewesen in dieser beispielhaften Nahrungskette noch mit unzähligen anderen Lebewesen in Beziehung steht, ergeben sich daraus komplexe Netzwerke, in denen schließlich auf irgendeine Weise und über mehrere Ecken jeder mit jedem verbunden ist.
In diesen komplexen Netzwerken der Nahrungsnetze und Stoffkreisläufe gibt es vielerlei Beziehungen, zum einen solche, bei denen sich die Partner gegenseitig unterstützen wie etwa Pflanzen und Pilze und zum anderen solche, bei denen eine Art auf Kosten anderer existiert, wie etwa die Beziehung zwischen Wirt und Parasit.
Unterstützende Beziehungen umfassen mehr als nur Symbiosen: Pflanzen und Tiere nutzen alle vorhandenen und neu auftauchenden Strukturen auf verschiedene Weise: So dient ein Strauch als Schlaf- oder Nistplatz, ein Kuhfladen auf der Wiese als Brutstätte für den Nachwuchs von Fliegen oder als Nahrungsquelle.
Netzwerke im Garten
Wenn Sie mit offenen Augen durch Ihren Garten gehen, entdecken Sie viele Beziehungen, von denen Pflanzen oder Tiere wechselseitig profitieren:
- Lücken in der Pflanzendecke, wie etwa der Erdhaufen eines Maulwurfs oder ein Regenwurmhäufchen sind günstige Plätze, an denen gerne Pflanzensamen keimen.
- Besonders regenwurmreiche Bodenstellen werden gut durchmischt und sind reich an luft- und wassergefüllten Poren, von denen die Wurzeln profitieren, sodass die Pflanzen besser wachsen.
- Rankpflanzen nutzen jede Art von Stütze, seien es lebende oder abgestorbene Pflanzenteile oder auch menschengemachte Strukturen wie Zäune oder Geländer, um daran emporzuklettern.
- Hohe Sträucher oder Bäume nutzen Vögel als Singwarte und Fledermäuse zur nächtlichen Orientierung.
- Glockenblumen-Blüten bieten Wildbienen einen geschützten Schlafplatz oder bei plötzlich einsetzendem Schlechtwetter einen Unterschlupf.
- In verlassenen Mäuselöchern nisten Hummeln.
Sie sehen, Ihr Garten ist nicht nur Teil des großen Naturnetzwerks, sondern besteht selbst aus vielen Netzwerken über und unter der Erde.
Fotografie © freepik
Der Text in diesem Artikel ist aus dem Buch:
Bärbel Oftring
Jede Blüte zählt – Wie jeder in seinem Garten und auf seinem Balkon zum „Netzwerk der Natur“ beitragen kann
Preis: 17,99 €
ISBN: 978-3-8338-7549-6
Gräfe und Unzer Verlag
Alle Gärten zusammen bilden ein riesiges Netzwerk, das Naturräume miteinander verbindet. Dieses Netzwerk können Wildpflanzen und Wildtiere nutzen, um zu existieren und miteinander zu agieren. Solch ein Netzwerk fördert Biodiversität – je mehr Menschen ihren Garten als Teil dieses Naturnetzwerks sehen und durch entsprechendes Gärtnern ihren Beitrag dazu leisten.