Die saftigen Früchte sind nicht nur bei Herrn Ribbeck im Havelland so heiß begehrt… die Liebe zu alten, heimischen Birnensorten mit klangvollen Namen wie Clapps Liebling oder Gute Louise trägt oft die wundervollsten Früchte. Dank ihrer köstlichen Aromen erleben sie eine Renaissance.
Alte Sorten braucht das Land
Das Aussehen der Birne ist das eine, was aber viel mehr zählt, sind doch ihre inneren Werte. Ist man erst mal auf den richtigen Geschmack gekommen, haben es die makellosen Normfrüchte aus dem Supermarkt dagegen schwer. Die Rede ist von alten Birnensorten, die fast unmerklich aus unseren Gärten verschwunden sind. Zum Glück bekommen diese wertvollen vergessenen oder fast ausgestorbenen Sorten in den letzten Jahren wieder mehr Aufmerksamkeit. In eigens angelegten Streuobstwiesen oder Sortengärten werden die „Oldies“ gepflegt und erhalten. Einer dieser Erhaltungsgärten und Obstmuseum zugleich ist das schleswig-holsteinische „Pomarium Anglicum“ mitten im Angelner Hügelland zwischen der Flensburger Förde und der Schlei. Dort werden seit über 25 Jahren neben circa 120 alten Birnensorten auch Äpfel, Pflaumen, Kirschen und Beerenobst bewahrt und in der angeschlossenen Baumschule auf „junge Füße“ gesetzt, veredelt und so wieder unter die Leute und in ihre Gärten gebracht.
Ein Hoch auf die Geschmacksvielfalt!
Seit dem Mittelalter wurde die Birne über ganz Europa verbreitet, was dank aufwendiger Selektions- und Züchtungsarbeit ab dem 18. Jahrhundert zu einer großen Sortenvielfalt geführt hat. Das heutige Birnensortiment ist nichts gegen die Vielzahl alter Sorten. Sie schmecken anders, sehen anders aus und haben viel mehr zu bieten.
‘Birne von Tongern‘
Die Belgierin aus dem Jahr 1811 ist eine Herbstbirne mit mittelgroßen typisch zimt- bis bronzefarben berosteten Früchten, die saftig, aromatisch würzig schmecken; als Tafelbirne, für Kompott oder Birnenwein wunderbar geeignet; Pflück- und Genussreife von September bis November.
‘Boscs Flaschenbirne‘
Hinter der rauen gelbbraun berosteten Schale verbirgt sich saftiges süßsaures Fruchtfleisch mit feinem Aroma. Die Früchte kommen Ende September/Oktober vom Baum und nach kurzer Lagerung als Tafelbirne auf den Tisch oder zum Einkochen ins Glas. In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts war ‘Boscs Flaschenbirne‘ eine der drei Birnensorten, die zu Reichsobstsorten gewählt wurden. Sie wird auch häufig ‘Kaiser Alexander’ genannt.
‘Blumenbachs Butterbirne‘
Früher hieß die Sorte ‘Soldat Laboureur’; der bekannte Pomologe Oberdieck taufte sie um. Von Oktober bis November reifen glockenförmige, festfleischige Birnen mit erfrischendem, melonenartigem Geschmack heran.
‘Clapps Liebling‘
Anfang September werden die mittelgroßen Früchte pflückreif; das feine Fruchtfleisch der alten Birnensorte ist saftig und süß; als vollreife Tafelbirne beeindruckt der Liebling mit prächtiger, gelbroter Färbung. Die alte Birnensorte wurde als Zufallssämling gegen 1860 von Thaddäus Clapp in Dorchester (Massachusetts/USA) gezogen.
‘Edelcrassane‘
… ist eine alte (1855) französische Winterbirne mit rundlichen grünlich gelben Früchten und hellbraunen Schalenpunkten. Ihre Pflückreife beginnt ab Anfang November; die Genussreife reicht von Januar bis März. Sie lässt sich gut lagern, schmeckt weinsäuerlich, feinwürzig und ist saftreich.
‘Bunte Julibirne‘
Die Sorte stammt ursprünglich aus Frankreich (1857). Der beste Erntezeitpunkt der lebhaft gefärbten Früchte von Grün bis Orangerot ist Ende Juli/Anfang August kurz vor der Vollreife; ein angenehmer Duft, süß-weiniger Geschmack zeichnet die Julibirne aus, die aber nur sehr gering haltbar ist.
‘Conference‘
… wurde auf der Nationalen Birnenkonferenz von Großbritanninen 1895 bekannt und ist bis heute beliebt, da sie auch schon schmeckt, wenn sie noch knackig frisch ist, aber auch gelagert werden kann; pflückreif ab Mitte September – vollreif ab Oktober, dann saftig-süß mit angenehmer Würze.
‘Frühe aus Trévoux‘
Eine duftende Sommersorte (1862) mit früher Pflück- und Genussreife im August/September; ihre süß-saftigen Früchte reifen schön verbraucherfreundlich nacheinander und nicht alle auf einmal heran! Die Birne aus dem Rhonetal mag keine mageren, sandigen Geestböden.
‘Gellerts Butterbirne‘
… kam als ‘Beurré Hardy’ im 19. Jahrhundert aus Belgien nach Deutschland; die Sorte trägt seitdem ihren heutigen Namen und im September große rostfarbene Früchte mit würzigem Aroma. Die hervorragende Tafelbirne ist etwa zwei bis drei Wochen lagerfähig.
‘Williams Christ‘
Wer kennt sie nicht …? Die großen, leuchtend gelben Früchte schmecken säuerlich-süß und haben ein fein muskatiges Aroma. Sie sind so saftig, dass man sie fast trinken kann; reif ab Ende August, bis zu drei Monate lagerfähig. Der Klassiker für feinen Obstbrand wurde nach ihrem ersten Verbreiter, dem Baumschuler Williams aus London, benannt. Die ältesten Nachweise der Birnensorte gehen bis etwa 1770 (England) zurück. Auch sie gehörte in den 20er Jahren zu den drei auserwählten Reichsobstsorten.
‘Gute Louise von Avranches‘
Die Gute stammt aus der Normandie (1778) und erfreut mit hübschen Früchten: außen orangerot mit roten Tupfen; innen überzeugt sie mit ihrem zartschmelzenden Fruchtfleisch und ihrer Süße mit harmonischer Säure; sie ist edel gewürzt und saftig! Geerntet wird von September bis Oktober; etwa 3 – 4 Wochen haltbar.
Wer kann mit wem am besten? So klappt’s mit der Befruchtung.
Voraussetzung für Früchte am Baum sind die richtigen Befruchter-Sorten, denn Birnen gehören zu den sogenannten Fremdbestäubern. Zur Befruchtung bedarf es also immer des Pollens einer anderen Sorte und das klappt längst nicht mit jeder – eine ganz natürliche Barriere der Natur. Wer Birnen in seinem Garten haben möchte, sollte sich also für zwei passende Partner entscheiden oder in der Nachbarschaft fragen, welche Sorten schon vorhanden sind. Honigbienen sorgen auf ihrem Rundflug zuverlässig für den Pollenaustausch über den Gartenzaun hinweg.
Die Liste berücksichtigt nur die oben erwähnten Sorten!
1. ‘Birne von Tongern‘ 2, 4, 6, 7, 9, 10, 11
2. ‘Boscs Flaschenbirne‘ 4, 7, 10
3. ‘Blumenbachs Butterbirne‘ 1, 2, 4, 8, 9, 10, 11
4. ‘Clapps Liebling‘ 2, 8, 10, 11
5. ‘Edelcrassane‘ 10, 11
6. ‘Bunte Julibirne‘ 4, 5, 7, 8, 10
7. ‘Conference‘ 2, 10, 11
8. ‘Frühe aus Trévoux‘ 2, 10
9. ‘Gellerts Butterbirne‘ 4, 10, 11
10. ‘Williams Christ‘ 4, 9
11. ‘Gute Louise von Avranches‘ 4, 7, 8
TEXT: Martina Raabe
FOTO: Fotolia
ILLUSTRATIONEN: Wikipedia/Wilhelm Lauche