Pflanzen haben im Grunde zwei Möglichkeiten in Dürreperioden zu überleben. Entweder sie verstecken sich vor der Hitze oder sie entwickeln eine Methode, um möglichst wenig Wasser zu verbrauchen. Ein Porträt der Durststreckenkünstler und ihren Strategien.
Zwiebelpflanzen
Wir verkrümeln uns bei Hitze auch gerne mal in unsere abgedunkelten Häuser. Viele Zwiebelpflanzen machen im Grunde dasselbe. Sie haben ihre Hauptwachstumsperiode in den Zeiten, in denen genügend Wasser und Licht zur Verfügung steht, nämlich im Herbst und im Frühling. Wenn es dann im Sommer trocken und heiß wird, ververgilben die Blätter und die Zwiebelpflanze zieht sich in ihre unterirdischen Überdauerungsorgane zurück. Geophyten, die im Frühling oder Herbst blühen, wie Schneeglöckchen, Tulpen, Herbstzeitlose und viele mehr, verstecken sich so im Boden vor Hitze und Trockenheit.
Silbergraue Pflanzen
Je heller eine Oberfläche ist, desto mehr Sonnenlicht reflektiert sie, die Fläche absorbiert nicht so viel Wärme. Deshalb heizen sich weiße Autos im Sommer nicht so stark auf wie schwarze Karossen. Das nutzen alle Pflanzen, die silbergraue Blätter ausbilden, so z. B. auch die Blauraute (Perovskia abratonoides). Je mehr Sonnenlicht von den Blättern reflektiert wird, desto weniger Hitzestress bekommt die Pflanze.
Wasserspeicherorgane
Trockenperioden kann prima überleben, wer sich einen Wasservorrat anlegt. Während wir aufwändig Regenwassertanks in den Boden einbauen, sind manche Pflanzen in der Lage, das Wasser in Wurzeln, in den Blättern oder im Spross zu speichern, wie etwa der Kandelaber-Kaktus. Das bekannteste Beispiel sind sicherlich die Sukkulenten. „Sucus“ kommt aus dem Lateinischen und heißt so viel wie Saft. Der Saft wird bei Sukkulenten in den Blättern gespeichert. Bekannte Vertreter sind die Aloe Vera, Agaven, viele Kakteen oder auch die Mittagsblumen und Fetthennen. Den Sukkulenten hilft zusätzlich die dicke Wachsschicht auf ihren Blättern, die ebenfalls die Verdunstung herabsetzt.
Behaarung
Die Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris) ist eine wirklich wunderschöne, robuste heimische Pflanze. Sie nutzt eine weitere Möglichkeit, sich im Sommer gegen die Hitze zu wappnen: Behaarung! Je dichter die Haare auf der Pflanzenoberfläche stehen, desto höher ist die Lichtbrechung dort. Der reduzierte Lichteinfall hat eine geringere Temperatur in den betreffenden Pflanzenteilen zur Folge. Die Küchenschelle ist unter anderen auf den Halbtrockenrasen der Schwäbischen Alb massenhaft zu finden.
Kleine Blätter
Je größer die Blätter, desto mehr Wasser verdunstet über die Blattoberfläche. Deshalb ist es sinnvoll, kleine Blätter zu produzieren, wenn man in der prallen Sonne überleben will, wie z. B. das Patagonische Eisenkraut (Verbena bonariensis). Oder man schafft sich einfach erst gar keine Blätter an, wie viele Kakteen, die nur Dornen haben. Dornen sind botanisch gesehen nichts Anderes als umgewandelte Blätter. Einige Kakteen haben diese Strategie noch weiterentwickelt und sich statt Dornen weiße Haare zugelegt. Diese schützen sie vor Austrocknung und zu viel Sonne.
Tief reichende Wurzeln
Wer schon mal versucht hat, eine Herbstanemone (Anemone hupehensis) auszugraben, der weiß es. Diese Schönheit, die Trockenheitsperioden übersteht und optimal im Halbschatten wächst, wurzelt tief. Sie bildet eine starke Pfahlwurzel aus. Damit kann sie auf Wasser aus der Tiefe zugreifen und so die außergewöhnlich eleganten Blüten auch bei oberflächlicher Trockenheit versorgen. Zu diesem Strategietyp gehören auch die Rosen. Mit ihren langen, verzweigten Wurzeln kommen sie gut an tiefliegende Wasservorräte im Boden.
Wachstum in Regenperioden
Eine weitere intelligente Strategie ist es, zu wachsen und Blüten auszubilden, wenn gerade genügend Wasser zur Verfügung steht, und in Zeiten von Trockenheit abzuwarten. So sprinten viele einjährige Pflanzen durch den Frühling und blühen schon zeitig im Jahr, um vor dem heißen Sommer an ihr persönliches Ziel, die Samenreife, zu gelangen.
Einrollen der Blätter
Bei meinen Zitruspflanzen bemerke ich immer sofort, wenn sie Durst bekommen. Dann rollen sie die Blätter ein und versuchen dadurch weniger Wasser zu verdunsten. Zugrunde liegt ein simples physikalisches Prinzip: Die Oberfläche, auf die die Sonne scheint, wird durch das Einrollen kleiner. Somit erhitzen sich die Blätter weniger und benötigen auch weniger Wasser. Das machen viele Pflanzen, die Durst haben. Man könnte es auch als Hilfeschrei verstehen: „Bitte gießen!“ Wenn ich die Zitruspflanzen dann gieße, entfalten sich die Blätter wieder und freuen sich über jeden Sonnenstrahl. Aber Achtung! Steht das Zitrusbäumchen zu nass, rollt es die Blätter ebenfalls ein. Also vor dem Gießen erst einmal prüfen, ob die Erde noch feucht ist.
Rote Blätter
Wenn wir im Sommer viel im Garten sind, bekommen wir eine schöne Bräune. Manche Pflanzen bekommen durch die Sonne rote Blätter. Mit Anthocyanen Farbstoffen, die im Pflanzenreich für rote, blaue und violette Töne zuständig sind, schützen sie sich vor zu viel Sonne. Dabei überdeckt der rote Farbstoff das grüne Chlorophyll. Bei komplett rotlaubigen Gehölzen fehlt ein Enzym, das den roten Farbstoff in den jungen Bl.ttern wieder abbaut. Eine Laune der Natur, die uns Blutbuchen, weinrote Ahornbäume, dunkelrote Holunderbüsche und viele andere spektakuläre Pflanzen beschert. Sonnenbrand knnen Pflanzen übrigens trotzdem bekommen: Wenn sie plötzlich starker Sonnenintensität ausgesetzt sind, die sie nicht gewohnt waren, z. B. bei einem Standortwechsel vom Halbschatten in die pralle Sonne. Dieser Sonnenbrand zeigt sich dann an beigen Flecken, die nach und nach verbäunen.
Wachsartiger Überzug
Extrem viele Pflanzen, die aus trockenen Regionen stammen, sind fähig, einen wachsartigen Überzug zu produzieren. Dieser funktioniert ganz ähnlich wie die Imprägnierung Ihrer wasserdichten Regenjacke. Nur dass die Pflanze die Wachsschicht andersherum nutzt. Sie will sich nicht vor Regen von außen schützen, sondern davor, dass das Wasser aus den Zellen nach außen diffundiert. Mit so einer Wachsschicht auf der Blattoberfläche verdunstet die Pflanze nur einen Bruchteil dessen, was sie sonst verbrauchen würde. Die Große Wachsblume (Cerinthe major), welche im Mittelmeergebiet gerne in Olivenhainen wächst, hat ihren Namen sogar aufgrund dieser Fähigkeit erhalten.
© Gräfe und Unzer Verlag / Ina Timm
Der Text in diesem Artikel ist aus dem Buch:
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