Der Kobold mit den gelben Augen
Der Steinkauz, die drollige kleine Eule, war einst der Lieblingsvogel der Göttin Athene. Heute braucht er unsere Hilfe, denn seine Brutplätze sind Mangelware geworden.



Klein und putzig
Der Steinkauz ist eine Eulenart aus der Familie der Eigentlichen Eulen (Strigidae). Mit einer Körpergröße von etwa 20 cm, nur 200 Gramm Gewicht und einer Flügelspanne von etwa einem halben Meter zählt der Steinkauz (Athene noctua) zu den kleinen Eulen. Die Größe entspricht eher einer Singdrossel, durch das lockere Gefieder und dem breitrundlichen Kopf wirkt er allerdings größer. Man erkennt die kurzschwänzige Eule an dem breiten und runden Kopf, den auffallend schwefelgelben Augen und dem braunen, weiß gesprenkelten Gefieder. Männchen und Weibchen unterscheiden sich im Gefieder nicht. Typisch ist auch die gedrungene Körpergestalt in Ruhehaltung. Kurze Strecken legt der Steinkauz in einem gradlinigen Ruderflug zurück, während bei weiteren Strecken ein spechtartiger Wellenflug charakteristisch ist. Sie fliegen meistens knapp über dem Boden. Aufgrund des hohen Körpergewichts in Relation zu den Flügelflächen und den relativ kurzen Schwungfedern ist der Flug des Steinkauzes für den Menschen aus der Nähe hörbar.
Stimmgewaltiges Rufrepertoire
Der lebhafte Steinkauz verfügt über ein breites Rufrepertoire, das von bellenden, schnarchenden, miauenden Lauten bis zu klangvoll weichen Rufen reicht. Ab Februar/März kann man sie in trockenen und windstillen Nächten gut hören. Der Erregungs- und Warnruf ist ein lautes „guhat“, „kwiau“ oder „kwiu“,¬¬ das sich zu einem bellenden „kja, kju“ steigern kann. Der Balzruf des Männchens ist ein langgezogenes „guhk“. Diesen Ruf hört man hautsächlich im März und April. Bei Erregung knicksen die Käuzchen auf und ab und schlagen seitlich mit dem Schwanz. Das Weibchen ruft vor allem bei der Futterübergabe an die Jungen, dann gibt sie „gek-gö-gekgöck-geck-göck“-Rufe von sich. Derweil betteln die Jungen mit Piepslauten. In fast allen abendländischen Kulturen galt die Eule früher als Unglücks- oder Todesvogel. Der nächtliche „kuwitt“-Ruf des Steinkauzes wurde als „Komm mit“ interpretiert.
Brutverhalten der kleinen Eule
Für die Brut sind die Vögel auf Baumhöhlen angewiesen. Fehlen diese, nutzen sie auch leer stehende Scheunen, Kapellen oder Ställe als Brutplatz. Die Nistkammer muss nur groß genug sein, um den Eiern und später den Jungvögeln genug Platz zu bieten. Außerdem sollte sie möglichst dunkel sein und der Brut ausreichend Schutz vor Wind und Regen bieten. Die Brutzeit findet von April bis Mai statt. Das Gelege besteht aus meistens drei bis fünf nahezu kugeligen Eiern, die im Abstand von zwei Tagen gelegt werden. Das Weibchen brütet alleine und wird vom Männchen mit Nahrung versorgt. Nach 24 bis 30 Tagen schlüpfen die Jungen, die mit etwa 35 Tagen die Bruthöhle verlassen, ohne fliegen zu können. Eine Woche später beherrschen sie es aber bereits gut. Sie werden fünf weitere Wochen von beiden Eltern mit Nahrung versorgt. Dann sind sie selbstständig und wandern aus dem Revier ab. Wie bei allen Vögeln ist die Sterblichkeit der Jungen im ersten Jahr mit 70 Prozent sehr hoch. Durchschnittlich werden weibliche Steinkäuze vier Jahre alt, die Lebenserwartung der Männchen liegt etwas darunter. Das Höchstalter freilebender Steinkäuze beträgt 15 Jahre. In Gefangenschaft lebende können sogar noch älter werden.
Kauzige Lebensweise
Der Steinkauz ist ein sehr ortstreuer Vogel, der auch in sehr kalten Wintern in seinem meist nur 50 bis 100 Hektar großem Revier bleibt. Ein einmal besetztes Brut- und Jagdplatzgebiet verlässt er sehr selten. In der Regel bleibt sich ein Steinkauzpaar ein Leben lang treu. Der Steinkauz bevorzugt offene, wenig bewachsene Landschaften, wie Streuobstwiesen, Kulturland oder Steinbrüche in der Ebene. Gelegentlich ist er auch in großen, naturnahen Gärten und Parks anzutreffen. Waldgebiete meidet er völlig. Da er tag- und nachtaktiv ist, kann man ihn tagsüber meist auf einer Ansitzwarte beobachten, wenn er in der Sonne sitzt und sich wärmt.
Abwechslungsreicher Speiseplan
Auf Nahrungssuche geht der Kauz bei Dämmerung oder in der Nacht, während der Nestlingszeit ist er wegen des erhöhten Futterbedarfs regelmäßig auch tagaktiv. Da er ein gewandter und flexibler Jäger ist, gehören mindestens 25 Kleinsäuger und 60 Vogelarten zu dem vielseitigen Speiseplan des Steinkauzes. Neben Feldmäusen fängt er z.B. kleine Reptilien und Amphibien. Er jagt häufig von niedrigen Ansitzpunkten wie Steinen, Zäunen oder Mauern. Gelegentlich jagt er auch auf dem Erdboden, zu Fuß werden auch Insekten oder Regenwürmer erbeutet. Besonders bemerkenswert sind die Lauffähigkeiten des Steinkauzes: Am Boden kann er eine flüchtige Feldmaus durch große und schnelle Schritte und Sprünge problemlos einholen. Die unverdaulichen Reste der Beute würgt der Steinkauz als Gewölle ca. 18 Stunden nach der Nahrungsaufnahme wieder aus. Anhand solcher Gewölle kann man herausfinden, was der Steinkauz gefressen hat. Seine Beute nimmt der Steinkauz primär optisch wahr. Er reagiert aber auch auf akustische Reize wie z.B. das Fiepen von Mäusen.
Obacht – es gibt auch Feinde!
Bei den Eulen gilt: „Groß frisst Klein“. Daher ist der Steinkauz stets fluchtbereit. Bei Gefahr lässt er sich von seinem Tagesansitz herabfallen und rennt zu Fuß in Deckung oder verschwindet blitzschnell in Höhlungen. Größere Eulenarten wie der Uhu, der Waldkauz und die Waldohreule aber auch eine Reihe von Greifvögeln wie Habichte, Wanderfalken und Mäusebussarde sind Fressfeinde des Steinkauzes. Aber auch der Steinmarder stellt eine große Bedrohung für den Steinkauz da. Als geschickter Kletterer erreicht er Steinkauzhöhlen und frisst Eier und „Nesthocker“. Gelegentlich erjagt er auch ausgewachsene Steinkäuze. Leider kommen auch viele Steinkäuze im Straßenverkehr ums Leben, wenn sie als sogenannte Tiefflieger bevorzugt nah über dem Boden jagen.
Bestand und Gefährdung
Die Angaben über den weltweiten Bestand gehen weit auseinander, werden aber auf mindestens 560.000 Paare geschätzt. In Deutschland ist der Steinkauz stark gefährdet und steht auf der Roten Liste. Der Gesamtbestand wird auf etwa 6.000 Paare geschätzt, etwa 76 Prozent leben in Nordrhein-Westfalen. Durch den ständigen Verlust an geeigneten Lebensraum ist der Bestand des Steinkauzes in den letzten Jahren stetig zurückgegangen. Alte Gemäuer, die als Unterschlupf dienen, werden modernisiert oder saniert, Streuobstwiesen und alte Bäume werden gerodet und auch extensiv genutzte Mähwiesen und Weiden werden seltener.
Der kleine Denker
Der Steinkauz war der Lieblingsvogel von Athene, der Göttin der Weisheit. Ihr verdankt er auch seinen wissenschaftlichen Namen (Athene noctua), der soviel bedeutet wie „Nächtliche Athene“. Dadurch wurde er zum Symbol für Bildung und Weisheit und wird noch heute von Verlagen, Vereinen und anderen Organisationen als solches verwendet. Eulen werden oft mit Brille, Buch oder Doktorhut dargestellt. Häufig ist auf antiken Skulpturen und Gemälden ein Steinkauz auf Athenes Schulter oder ihrer Hand zu sehen. Aus dieser Zeit rührt auch die Redewendung „Eulen nach Athen tragen“ des griechischen Dichters Aristophanes, die für eine überflüssige Tätigkeit steht. Überall in Athen waren Eulen in Form von Statuen und Bildern zu sehen. Wenn also jemand Eulen nach Athen trug, tat er etwas Überflüssiges, da es in der Stadt schon genug Eulen gab.
Heimlicher Star
Schon rund 500 Jahre vor Christi Geburt prägte der kleine Kauz die Rückseite griechischer Münzen, später schmückte er als Wappenvogel mit einem Ölzweig die silbernen Drachmen- Münzen, die auch „Eulen“ genannt wurden. Noch heute ziert er die griechische Ein-Euro Münze und soll den Besitzer daran erinnern, sie weise auszugeben.