Wenn ich morgens früh aufsteh
Und dann in den Garten geh
Hoff ich, alle unsre süßen,
schönen Blumen zu begrüßen.
Primeln, Tulpen, Meconopsis,
Helleborus, Codonopsis,
Sonnenblumen, roter Mohn.
Oh wie schön, ich freu mich schon!
Doch statt Freude, welch ein Schreck!
Blüten, Blätter – alles weg!
Wo ich wähnte sattes Grün,
zieht sich eine Schleimspur hin.
Abgeknickte Blütenstiele
Machen bei mir Hassgefühle
Auf die widerlichen Schnecken,
die sich jetzt vor mir verstecken.
Doch bei aller wilden Wut
möcht ich wissen, wie ich gut
gegen diese eklen Viecher,
Kriecher
Mittel und auch Wege find,
die erfolgversprechend sind.
Ach, was kann man nur probieren,
um die Brut zu reduzieren?
Sammeln und weit weg zu tragen,
hohe, scharfe Pflanzenkragen,
Schneckenfalle, Schneckenzaun .
Oh, sie lehren uns das Grau‘n!
Mancher rät mit list‘ger Miene,
wie man diese Fressmaschine
mit dem menschlichen Verstand
von dem Gartenland verbannt.
Es soll auch manche Menschen geben,
die mit dem Schneck in Frieden leben.
Wahrscheinlich hat’s dazu geführt:
Der Garten ist zubetoniert.
Das kann‘s nicht sein, das will ich nicht!
Ich sehe es als meine Pflicht,
dem Rittersporn den Schutz zu geben,
die Fritillaria soll leben.
Auf Notwehr wohl beruf ich mich.
Das heißt dann wohl: Ihr oder ich!
Manchmal bin ich wutentbrannt,
dann führt der blanke Zorn die Hand.
Ob Messer, Schere, Spargelstecher
Ich fühl mich als der Pflanzen Rächer,
wenn nach ‘ner kühlen Regennacht
der Schnecke Nachtwerk ist vollbracht
und auf den nackten Stängelspitzen
die roten, schwarzen Biester sitzen.
Ein Tritt, ein Schnitt, ein Schlag, ein Stich,
ich sag es: lustvoll ekelt’s mich.
Zuletzt bei kühlem Mainachtregen
konnt ich nicht ruhig ins Bett mich legen.
Am Ende nach den Tagesthemen
musst ich die Taschenlampe nehmen
und habe dann bis Mitternacht
‘ne Menge Schnecken umgebracht.
Nachdem dann alles leergeräumt,
hab ich vom Paradies geträumt,
vom Garten Eden, schneckenlos,
mit Türkenbünden heil und groß,
Erdbeeren makellos und prächtig,
der Funkien Blätter glatt und mächtig.
Ich träumte glücklich, ohne Hass
es gab nicht Schleim noch Scheckenfraß.
Doch nach dem Traum da war’s mir klar:
Der Garten Eden ist nicht wahr.
Am eine n Tag da sind’s die Schnecken,
am nächsten ärgern mich die Quecken,
ob Wühlmaus, Giersch und Rückenschmerz
auch Regenmangel quält das Herz.
Wenn ich morgens früh aufsteh‘
Und dann in den Garten geh,
dann erleb ich immer dies:
Vertreibung in das Paradies.
Dieses Gedicht und das Foto sind aus dem wunderbaren Buch
„Gärtnerseelen. Warum Dreck unter den Fingernägeln
Glücklich macht“ von Christiane Büch.
Verlag Eugen Ulmer, 24,90 €