Für Thomas Stüke sind Blumentöpfe nicht bloß Pflanzgefäße, sondern Geschichtenerzähler, Darsteller und Skulpturen. Der Keramikmeister macht seine Objekte nicht nur unverwechselbar, er haucht ihnen Leben ein. 

Der Meister der gebrannten Scherben, Thomas Stüke, hat sein kunstvolles Handwerk mit dem Bauen keramischer Öfen gelernt.
Wo Fantasievolles zum Leben erweckt wird
Stellen Sie sich vor, Sie betreten die Werkstatt von Thomas Stüke. Es ist später Nachmittag. Der Künstler ist gerade einmal abwesend. Sonnenstrahlen fallen schräg durch die Fenster. Staub schwebt in der Luft. Die Objekte erscheinen wie durch einen lichten Schleier. Jetzt haben Sie Zeit, alles genau zu betrachten: Die Köpfe etwa, die wie schlafend auf den Regalbrettern liegen. Und die Bücher, die aussehen, als würden sie aus einer alten Bibliothek stammen, ebenso wie die märchenhaften Schriftzeichen, die auf Töpfen, Tafeln und Kugeln prangen. Hat die Frau mit den roten Haaren nicht gerade mit den Augen gezwinkert? Sie steht neben einem Herrn mit Zylinder und Monokel an einem runden Tisch, der an eine große Uhr ohne Ziffernblätter erinnert – eine surreale Szene. Bevor die Gegenstände wie in Michael Endes „Unendlicher Geschichte“ nun vollends ein Eigenleben entwickeln, taucht zum Glück Keramikmeister Stüke wieder auf und fragt ganz ruhig, ob er Ihnen weiterhelfen kann.

Mit einem Gipsstempel werden die Muster in die Tonplatten geprägt (rechts). Anschließend kommen diese in eine Gipsform, werden dort zusammengefügt und schließlich gebrannt
Den passenden Ton gefunden
Vor zwölf Jahren hat der 50-Jährige diese Werkstatt in einer alten Stellmacherei in Schledehausen, einem kleinen Ort knapp 15 Kilometer östlich von Osnabrück, eingerichtet. Da schlug sich der studierte Designer, der noch eine Lehre bei einer Keramikmeisterin und Ofenbauerin angeschlossen hatte, schon knapp zehn Jahre als Selbstständiger durchs Leben. Angefangen hatte er mit Fußböden aus selbst designten Fliesen. Dann stieß er zufällig auf alte Gipsformen für Gefäße. Töpfe wurden von nun an seine Passion. Er fand dafür in einer Grube im Westerwald den passenden Ton. Gebrannt hat dieser die gleichen Eigenschaften wie Dachziegel. Er ist also frosthart und dennoch leicht porös – genau das, was Stüke brauchte, um hochwertige Keramik für den Garten daraus zu fertigen.

Den persönlichen Touch bekommen die Werke erst zum Schluss, wenn der Keramiker Glasur und Dekor von Hand herausarbeitet. Die Schrift wird teils mit flüssigem Latex vor dem Glasieren aufgetragen, sodass später, wenn die gummiartige Schicht entfernt wird, die Farbe des Tons wieder durchscheint.
Keramik von unverwechselbarem Design
Die Objekte des Designers treffen den Nerv der Zeit. Menschen suchen heutzutage nach unverfälschten Dingen und sind begeistert von Stükes archaischer -Formensprache mit Schriftzeichen, Federn, Fischen und Muscheln. Die teils plastischen Ornamente verleihen dieser Keramik eine starke Präsenz. Linien und Körper lassen sich erfühlen und graben sich ins Gedächtnis. Glasuren in grünen und erdigen Tönen erzeugen den Eindruck von Patina, so als wären die Objekte schon gealtert. Dabei vollzieht sich dieser Prozess erst, wenn die Keramik im Freien Sonne, Wind, Regen, Erde, Pflanzen und Tieren ausgesetzt ist. Die Natur hinterlässt allmählich Spuren: So siedeln sich an schattigen Orten schnell Moose auf der feuchten Tonoberfläche an und überziehen die Schriften mit feinem grünen Pelz. Und Laub legt sich um die aus Ton geformten, wie schlafend wirkenden Köpfe.

Werkstatt und Ausstellungsraum (Foto) sind in einer ehemaligen Stellmacherei untergebracht. Wo früher Kutschen gefertigt wurden, entsteht heute hochwertige Keramik. Der bemalte Holzfußboden aus Rauspundbrettern ist erst in jüngster Zeit verlegt worden.
Viel mehr als nur ein Blumentopf
Zu Goethes Zeiten haben Landschaftsgestalter den Garten immer auch als Bühne gestaltet. Die Besucher sollten ihn wie eine begehbare Szenerie erleben. Um die Fantasie zu beflügeln, wurden idyllische Orte geschaffen, etwa Tempel und Grotten gebaut sowie Skulpturen und Inschrifttafeln aufgestellt. Diese Tradition hat Thomas Stüke im Kleinen wiederbelebt – in einem Maßstab, der den heutigen Gärten gemäß ist. Ein Blumentopf ist bei ihm nicht bloß ein Gefäß für Pflanzen, sondern mehr: etwa ein Relief mit poetischem Motiv oder Träger einer Inschrift – mehr eine Skulptur also mit eigener Aussage.Dennoch arbeitet Thomas Stüke mit standardisierter Technik. Die Gefäße entstehen nicht auf einer Töpferscheibe, sondern in Gipsformen, die aus von ihm entworfenen Prototypen gefertigt wurden. Erst wenn das gebrannte Stück Ton aus der Form kommt, wird viel handwerkliches Geschick in die dekorativen Elemente gesteckt. Es können sogar individuelle Wünsche berücksichtigt werden. Das macht diese Objekte unverwechselbar. „Man muss einfach sehen können, aus welchem Stall sie kommen“, sagt ihr Schöpfer, der aber zugleich Wert darauf legt, dass seine Töpfe sich aufgrund ihrer Farbigkeit gut in Ensembles mit anderen Gefäßen einfügen.
Atelier Feuerland – Thomas Stüke
Meyerhofstr. 26
49143 Bissendorf
Tel.: (05402) 2641
www.feuerland.de
TEXT: Michael Breckwoldt
FOTOS: Feuerland(7), Dirk Seidler(2)