Heimische Stauden bieten uns eine wunderschöne Vielfalt an Formen und Farben zur Gartengestaltung an. Was unserem Gärtnerherz Freude macht, ist aber auch zu gleich Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Für ein intaktes Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur ist die Verwendung heimischer Stauden daher ein wichtiger Baustein.
Warum heimische Wildstauden verwenden?
Die verschiedenen heimischen Wildstauden stehen im Einklang mit den Lebensräumen der natürlichen Umgebung und wirken daher auch so natürlich. Sie sind unseren Klimaverhältnissen bestens angepasst und in dieser Hinsicht entsprechend robust.
Für zahlreiche heimische Tiere, insbesondere Insekten, sind sie wichtige oder einzige Futterpflanze oder bedeutend zur Eiablage, als Unterschlupf oder Heilpflanze. Somit ist nicht nur die Verwendung heimischer Wildstauden und Gehölze ein zentrales zentrales Anliegen in der naturnahen Gartengestaltung, sondern auch die Förderung der Artenvielfalt innerhalb des Siedlungsraumes.
Als Beispiel sehr enger und nicht ersetzbarer Beziehungen von Insekten zu heimischen Wildstauden seien hier lediglich die auf Natternkopf (Echium vulgare) spezialisierte Glänzende Natterkopf-Mauerbiene (Osmia adunca) und der auffällige Tagfalter Schwarzer Apollo (Parnassius mnemosyne) erwähnt, der zwingend auf Lerchensporn (Corydalis cava und solida) als Raupenfutterpflanze angewiesen ist.
Klassische Gartenstauden mit exotischer Herkunft bieten vielleicht reichlich Nektar für Honigbienen oder essbare Früchte für Ameisen, aber in der Regel eben nicht die Nahrungsbasis für eine Vielzahl heimischer Insekten. Es geht nun in keiner Weise darum, klassische Gartenstauden, zu denen Sie eine enge Beziehung haben und die Ihnen besonders gefallen, aus dem naturnahen Garten zu verbannen. Vielmehr ist im Sinne eines naturnahen Gartens anzustreben, dass eine gute Mehrheit (wenigstens zwei Drittel) der verwendeten Stauden heimische Wildstauden in standortgerechter Zusammensetzung sind.
Damit können wir auch innerhalb der Siedlungen einen wichtigen Beitrag zur Biodiversität leisten, der umso größer ist, wenn enge Beziehungen zwischen unserem Garten mit Wildstauden und -gehölzen zu ähnlich artenreichen Lebensräumen in benachbarten Gartenflächen und der Landschaft außerhalb des Siedlungsgebietes bestehen. Wenn im naturnahen Garten mit einem breiten Angebot heimischer Wildpflanzen gleichzeitig aus Sicht der Wildtiere „uninteressante“ exotische Gartenstauden verwendet werden, stört das die Insekten nicht. Sie suchen artspezifisch auch unter den heimischen Wildstauden ganz gezielt ihre Futterpflanzen aus und lassen den Rest links liegen.
Weist ein naturnaher Garten eine breite Palette standortgerecht gepflanzter heimischer Wildstauden und Wildgehölze auf, ist er mit Sicherheit ein ökologisch wertvoller Ort für eine Vielzahl heimischer Tiere.
Umgekehrt muss auch betont werden, dass viele Pflanzen- und Tierarten mit sehr hohen und spezifischen Ansprüchen an ihren Lebensraum auch mit gutem Willen nicht im naturnahen Garten angesiedelt werden können. Wir tragen deshalb für diese Arten und Lebensräume eine ethische und politische Mitverantwortung, deren oft gefährdete Wildvorkommen an ihren Naturstandorten zu erhalten und zu fördern.
Zu dieser Verantwortung gehört auch, gefährdete Wildstauden, ganz unabhängig ihres gesetzlichen Schutzstatus, keinesfalls an ihrem Wildstandort auszugraben und in Gärten zu pflanzen. Das Sammeln von Samen stellt dagegen keinen schwerwiegenden Eingriff dar, vorausgesetzt man entfernt nur einen kleinen Bruchteil des reifen Samenangebotes eines Standortes.
Verbreitung heimischer Wildstauden und Ökotypen
Die meisten in Mitteleuropa heimischen Wildpflanzen weisen ein großes Verbreitungsgebiet auf, das weit über Deutschland, Österreich und die Schweiz hinausreicht. Beispiele für solche in Mitteleuropa wie auch in den drei Ländern weitverbreitete Wildstauden sind etwa Gemeine Schafgarbe, Rote Waldnelke, Gemeiner Dost oder Waldmeister.
Doch nicht alle der in diesem Buch vorgestellten Wildstauden haben eine solche weite Verbreitung, sondern folgen oft wiederkehrenden Verbreitungsmustern. Zahlreiche Arten wie etwa Blauer Lattich, Purpur-Klee oder Gemeine Küchenschelle besiedeln nur trockenwarme Regionen, in Deutschland beispielsweise Rhein-Main- und Donautal, Schwäbische Alb, Mittelbayern, Thüringer Becken und die Lössböden in Sachsen-Anhalt.
Einige Wasser- und Sumpfpflanzen wie Langblättriger Ehrenpreis, Schwanenblume oder Sumpf-Wolfsmilch folgen nur den großen Stromtälern von Donau, Rhein-Main, Weser, Saale-Elbe und Oder. Arten mit vorwiegend montaner Verbreitung wie Trollblume, Wald-Storchschnabel oder Wald-Geißbart sind nur am Alpenrand und in den Mittelgebirgen verbreitet und fehlen in der Regel im Norddeutschen Tiefland.
Andere Arten, wie etwa die Färber-Scharte, passen nicht in diese Muster oder sind heute auf Reliktstandorte beschränkt wie die Schachblume auf die Elbmarschen Hamburgs.
Wenige, der in diesem Buch wegen ihres hohen Gartenwertes vorgestellten Arten, wie Gold-Aster oder Leberbalsam, fehlen in Deutschland natürlicherweise, besiedeln aber trockenwarme Regionen beziehungsweise Kalkfelsen in der Schweiz, Liechtenstein und Österreich (Leberbalsam ist in Österreich ausgestorben).
Was bedeutet das für die Verwendung dieser Wildstauden im naturnahen Garten?
Wer sich speziell für die lokalen Verbreitungsmuster, Vernetzungen und Biodiversität interessiert, mag in seinem Garten gezielt regionaltypische Pflanzenarten und lokale Spezialitäten, vorzugsweise auch mit lokaler Herkunft des Saatgutes, verwenden und trägt damit gezielt zur Biodiversität im Garten und Siedlungsraum bei. Wem diese Zusammenhänge nicht so wichtig sind, kann standortgerechte Arten selbstverständlich auch außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes im Garten verwenden und wird sich, bei gelungener Kombination mit weiteren standortgerechten Wildstauden und -gehölzen, dennoch zahlreicher (zumeist häufiger und verbreiteter) Insekten und weiterer Tiere als Gartenbesucher erfreuen können.
Standortgerecht heißt, die Pflanze entspricht in ihren spezifischen Ansprüchen an Boden, Feuchtigkeit und Licht dem gegebenen Gartenlebensraum. Zur regionaltypischen Biodiversität trägt sie bei, wenn die Pflanze wild in der nahen Umgebung vorkommt und standortgerecht im naturnahen Garten gepflanzt und mit passenden Wildstauden kombiniert wird.
Je enger die lokale Verknüpfung des Gartens mit dem natürlichen Umfeld der nahen Umgebung außerhalb des Siedlungsraumes ist, desto wahrscheinlicher ist eine Trittsteinfunktion des Gartens für die lokale Biodiversität. Aus diesem Grund wird die natürliche Verbreitung der im zweiten Teil dieses Buches vorgestellten Wildstauden, zumindest für Deutschland, stets mit groben Verbreitungsangaben benannt. Wer detailliertere Angaben wünscht, kann im Netz unter www.floraweb.de genaue Verbreitungskarten für jede wild in Deutschland vorkommende Pflanzenart finden.
Kommen die entsprechenden, in diesem Buch für Deutschland genannten Lebensräume und Regionen analog auch in der Schweiz, Liechtenstein und Österreich vor, sind diese Arten fast immer dort auch beheimatet, ohne in diesem Buch explizit genannt zu werden. Nur markante Abweichungen zu Deutschland werden hier ausdrücklich benannt.
Für die Verbreitung in der Schweiz gibt www.infoflora.ch Auskunft, für Österreich gibt es derzeit nur elektronische Verbreitungskarten für einzelne Bundesländer. Auf Südtirol wird in diesem Buch nicht näher eingegangen, da dort höhere Lagen eine Alpenflora wie in Österreich zeigen, tiefen Lagen aber schon südliche Florenelemente außerhalb des mitteleuropäischen Blickwinkels dieses Buches aufweisen.
Wissenschaftliche Untersuchen der letzten Jahre zeigen deutlich, dass fast jede Wildstaude regionalspezifische, genetisch unterschiedliche Ökotypen aufweist, die fallweise in ihrer Differenzierung wichtig und oder gar unersetzlich sind für das Beziehungsgeflecht zwischen spezifischen Insekten und den regionaltypischen Genotypen der Wildpflanzen. Hier fehlt aber derzeit das notwendige Detailwissen noch weitgehend.
Für die gärtnerische Praxis bedeutet dies, dass die Verwendung von regionalen Pflanzenherkünften für die lokale Biodiversität von großer Bedeutung ist. Deren Beschaffung wird praktisch (noch) nicht immer machbar sein. Aber das Bewusstsein für diese Zusammenhänge und die gezielte Nachfrage nach regionalen Ökotypen der Wildpflanzen wird das zukünftige, regional differenzierte Angebot auf dem Wildpflanzenmarkt stimulieren.
Foto © Peter Steiger/Ulmer Verlag
Der Text in diesem Artikel ist aus dem Buch:
Heimische Wildstauden im Garten
Peter Steiger
Preis: € [D] 29,95 / € [A] 41,10
ISBN: 978-3-8186-0718-0
Ulmer Verlag
In diesem Buch werden heimische Wildstauden und ihre Lebensräume in der Natur beschrieben und auf den Garten übertragen, denn was am schattigen Waldrand wächst, wird sich auch in einem schattigen Garteneck wohlfühlen. Sortiert nach Standorten – vom trockenheißen Kies, über halbschattige und schattige Bereiche bis zum feuchten Gewässerrand- werden heimische Wildstauden porträtiert und ihre passenden Partner im Beet vorgestellt.