Wenn es um kreatives Gärtnern geht ist Urban Gardening der Trend schlechthin! Die Bloggerin Silvia Appel alias „Das Garten Fräulein“ erklärt uns, was hinter diesem Trend steckt und wie man Teil dieser spannenden Bewegung werden kann. Wir sind ganz begeistert – und Sie?
WAS IST EIGENTLICH URBAN GARDENING?
Wie der Name schon sagt, geht es beim Urban Gardening ums Gärtnern im urbanen Raum. Mitten in der Stadt wird Obst und Gemüse angebaut. Als „Ackerland“ dienen Brachflächen, leer stehende Baugrundstücke oder Hinterhöfe. Dort wird auf nachhaltige und umweltbewusste Weise gemeinschaftlich Gartenbau betrieben. Angepflanzt wird nicht direkt in der Erde, da diese meist durch Bauschutt oder Ähnliches belastet ist. Daher dienen alte Bäckerkisten, Reissäcke, Weinkisten oder selbst gebaute Beete aus alten Paletten als Anbauflächen. Der Kreativität und der Lust an neuen alternativen Pflanzgefäßen sind keine Grenzen gesetzt!
WARUM URBAN GARDENING?
Die Citygärtner legen großen Wert darauf, nur aus natürlichem, nicht hybridem Saatgut neue Tomaten, Kartoffeln oder Bohnen heranzuziehen. Auch was heimisch und für die jeweilige Region typisch ist, wird vermehrt angepflanzt. Beim Urban Gardening geht es jedoch um mehr als den reinen Gemüseanbau. Der Gemeinschaftssinn tritt in den Vordergrund und die Anonymität der Großstadt damit ein ganzes Stück in den Hintergrund.
Die Menschen haben Freude an der Begegnung und der Zusammenarbeit mit den Leuten aus ihrem Viertel. Das Schöne dabei ist, dass Menschen mit unterschiedlichster Herkunft, Hintergrund und Alter beim gemeinsamen Gärtnern zusammenkommen. Auch der Gedanke, dass das Wissen über den Anbau und die Pflege von Pflanzen nicht weiter verlorengehen darf, treibt die neuen Großstadt-Gärtner an. Natürlich haben auch Lebensmittelskandale und die Strukturen der Großkonzerne ihren Teil dazu beigetragen, dass der Wunsch nach mehr Unabhängigkeit hin zur eigenen Erzeugung von Lebensmitteln stärker denn je ist.
So sind es heute nicht mehr einige wenige Aussteiger, die sich gerne selbst versorgen möchten. Im Gegenteil, Gärtnern ist hip und angesagter denn je bei den Stadtbewohnern. Ein sehr schönes Beispiel hierfür sind die Prinzessinnengärten in Berlin – das Aushängeschild der europäischen urbanen Landwirtschaft.
SO ENTSTAND URBAN GARDENING
Aber wie kam es denn überhaupt zu dieser Gartenbewe¬gung? Urban Gardening ist Anfang der 90er-Jahre in Kuba entstanden. Nach dem Zerfall des Ostblocks hatte das Land mit extremen Versorgungsengpässen zu kämpfen. Vor allem im Lebensmittelsektor und bei Erdöl und Dünger war Kuba von Importen abhängig. Doch diese blieben aus und die Einwohner hatten mit Armut und Hunger zu kämpfen. Aus dieser Not heraus entschied sich die Regierung dazu, den Kubanern ungenutzte leerstehende Flächen für den Anbau von Nahrungsmitteln zur Verfügung zu stellen. Aufgrund des Versorgungsengpasses musste überwiegend auf chemische Dünger verzichtet werden. Somit war die nachhaltige und ökologisch urbane Land¬wirtschaft geboren. Heute werden zwei Drittel des Gemüsebedarfs der 2-Millionen-Stadt Havanna von deren Bewohner mitten in der Stadt produziert. Für viele Entwicklungsländer gilt Kuba daher als Vorbild bzw. Chance, der Armut ein Stück weit zu entfliehen.
In unserem Land hat die Bewegung ihre Ursache nicht in einer Notlage. Vielmehr sind der Wunsch nach weniger Konsum und mehr Bewusstsein für Lebensmittel die treibenden Kräfte des städtischen Gärtnerns. Die Sehnsucht nach Produkten, die natürlich sind, und nach einem Le¬ben in Einklang mit der Natur lässt Urban-Gardening-Projekte an allen Ecken der Städte aus dem Asphalt sprießen. In Nachbarschaftsgärten, auf Parkhausdächern, in interkulturellen Gärten oder im Hinterhof wird gemeinsam angebaut, gegossen, gelernt, gelacht und gegessen.
DIE WÜRZBURGER STADTGÄRTNER
Nicht nur die Metropolen dieser Welt beheimaten Urban-Gardening-Initiativen. Kleinere Städte ziehen längst nach, z. B. Würzburg. In der unterfränkischen Kleinstadt, die knapp 130.000 Einwohner zählt, haben sich im Jahr 2012 die „Stadtgärtner Würzburg“ zusammengefunden. Die rund fünfzehnköpfige Gruppe setzt sich aus den unterschiedlichsten Menschen zusammen. Egal, ob Student oder Rentner – hier ziehen alle am gleichen Strang.
Ziele der Stadtgärtner Würzburg
• Die Stadt aktiv mitgestalten, lebenswerter und grüner machen.
• Wissen über den regionalen Obst-und Gemüseanbau erhalten, weitergeben und neue Konzepte ausprobieren.
• Einen Ort der Begegnung, des Austausches und der Veränderung schaffen.
• Ein Stück Unabhängigkeit vom Handel, von politischen und globalen Strukturen.
• Jede Menge Spaß dabei haben!
Nach einem Jahr der Debatten, der Flächensuche und der Gruppenfindung haben sich die Gärtner im Jugendkulturhaus Cairo niedergelassen. Doch bevor es so richtig losgehen konnte, mussten erst einmal jede Menge Beete gebaut werden. Wie die meisten urbanen Gärten ist auch der in Würzburg auf Hochbeete und andere Pflanzgefäße wie Reissäcke, Paletten und Weinkisten angewiesen.
Die Gruppe engagiert sich weit über den Anbau von Gemüse und Kräutern hinaus. In Anzucht-Workshops geben sie Informationen zu Saatgut und Vermehrung von Pflanzen. Beim weltweit jährlich stattfindenden Parking Day machen es sich die Gärtner einen Tag lang auf einem
Parkplatz mit jeder Menge Pflanzen gemütlich. Mit dieser Aktion machen sie darauf aufmerksam, wie viel Platz den Autos in einer Stadt eingeräumt wird und wie wenig wiederum wertvollen Grünflächen. Am Flohmarkt verkaufen die Gärtner überschüssige Pflanzen und Samenbomben.
Die Stadtgärtner vernetzen sich auch mit anderen Würzburger Initiativen und nehmen mit Infoständen an Festen diverser Würzburger Gruppen teil. Auch das Feiern kommt nicht zu kurz, wie beispielsweise beim jährlichen Erntefest für Helfer und Interessierte.
SO GRÜNDEN SIE EINE EIGENE GRUPPE
Sie möchten selbst aktiv werden? Das Internet ist hierfür die beste Informationsquelle. Schauen Sie zuerst, ob es schon eine Initiative in Ihrer Stadt gibt. Auf der Seite www.anstiftung.de sind beinahe alle deutschen Urban-Gardening-Projekte eingetragen. Finden Sie in Ihrer Stadt keine Gruppe oder entspricht diese nicht Ihren Vorstellungen, dann heißt es selbst etwas aufzubauen:
• Posten Sie bei Facebook einen Beitrag, dass Sie ein Treffen für Interessierte abhalten. Bitten Sie ein großes Stadtmagazin, diesen Aufruf zu teilen. Beziehen Sie Ihre Nachbarschaft ein und verteilen z.B. kleine Infozettel als Einladung zum Treffen in den Briefkästen.
• Informieren Sie sich bei anderen Projekten über deren Vorgehensweise. Auf www.anstiftung.de finden Sie auch Gemeinschaftsgärten, die beratend tätig sind.
• In dem Buch „Wissen wuchern lassen“ von Severin Halder finden Sie nützliche Tipps für die Gründung und Bewirtschaftung eines urbanen Gartens.
• Sind andere Gartenbegeisterte gefunden, müssen sich alle gemeinsam über das weitere Vorgehen einig werden. Wie groß soll die Fläche sein? Wie viel Zeit kann jeder einzelne investieren? Welche finanziellen Mittel stehen zur Verfügung? Fragen über Fragen, die es zu klären gibt. Früher oder später steht meist auch eine Vereinsgründung an. Das ist schon allein aus Haftungsgründen sehr zu empfehlen.
• Sind die groben Strukturen geklärt, geht es an die Grundstückssuche. Je nach Größe und geographischer Lage der Stadt, kann dies jede Menge Zeit in Anspruch nehmen. Gehen Sie immer mit offenen Augen durch die Straßen. Fragen Sie bei der Stadtverwaltung nach, ob man Ihnen dort behilflich sein kann. Auch kulturelle oder soziale Einrichtungen, die eine Wiese oder einen Hof mit angeschlossen haben, könnten für ein neues Urban-Gardening-Projekt in Frage kommen.
• Schließlich geht es ans Planen, wie der Garten aussehen soll und welche Pflanzen wo wachsen werden. Genauso wie die Pflanzen wachsen, gedeiht auch eine Urban-Gardening-Gruppe. Auch wenn es zwischendurch vielleicht einmal anstrengend sein kann oder Rückschläge die Gruppe beuteln vergessen Sie nie, warum Sie aktiv sind und wie viel Spaß das gemeinsame Gärtnern macht!
Alle Texte und Fotos in diesem Artikel sind aus dem Buch:
Silvia Appel
Mein kreativer Stadtbalkon
Edition Michael Fischer
ISBN: 978-3-86355-288-6
Preis: € 19,90
Die Früchte der eigenen Arbeit zu ernten, was kann es Schöneres geben? Dass das auch auf kleinstem Raum möglich ist, beweist Silvia Appel mit ihren Ideen für einen kreativen Stadtbalkon. Von der Grundausstattung für kleine Kräutergärten bis hin zu großen Pflanzgefäßen für die Dachterrasse zeigt das Garten Fräulein, wie man die richtigen Pflanzen für den jeweiligen Standort auswählt und ein paradiesisches Wohlfühl-Ambiente schafft. Die DIY-Projekte helfen Ihnen, Schritt für Schritt aus jedem Balkon eine Pflanzenoase zu machen, inklusive Anleitungen für Balkonmöbel und Rezepten für die perfekte Grillparty.