Kresse kennt man, Microgreens haben wir alle sicherlich auch schon einmal in der Kühltheke der Gemüseabteilung unseres Supermarktes gesehen. Aber wussten Sie, dass es ganz einfach ist dieses Superfood auf der Fensterbank selber zu ziehen? So gibt es das ganze Jahr über gesundes Grün für uns!
Frische Vitamine von der Fensterbank
Der Microgreen-Trend umfasst den Anbau von Mini-Gemüse auf der Fensterbank. Im Gegensazu zum Ziehen von Sprossen in einem Keimgerät werden Microgreens in Substrat gesät und nach der Bildung der Keimblätter geschnitten und verzehrt.
Microgreens haben gegenüber der Sprossenanzucht den Vorteil, dass sie nicht täglich gespült werden müssen und sich keine gesundheitsschädlichen Keime bilden können.
Mittlerweile gibt es vor allem online eine stetig steigende Anzahl von Anbietern für Microgreen-Saatgut. Die Nachfrage ist groß, denn schließlich können Microgreens eine willkommene Nahrungsergänzung in der kalten Jahreszeit darstellen und im urbanen Raum laufend frisches Grün für ernährungsbewusste Menschen ohne eigenen Garten liefern.
Ganz neu ist der Microgreen-Gedanke jedoch nicht. Das Kressekästchen mit den Keimsaaten der Gartenkresse dürfte allseits bekannt sein, und es gab das Kressekästchen lange bevor der Begriff Microgreens sich etablierte.
Heute versteht man unter Microgreens verschiedenste Kräuter- und Gemüsearten, die sich dafür eignen, am Fenster gezogen und im Keimblattstadium geerntet zu werden.
Mit dem Anbau bei dir zu Hause kannst du, nach eventuellen einmaligen Anschaffungskosten, gegenüber dem Einkauf fertiger Microgreens Geld sparen. Zudem benötigen deine Keimlinge keine langen Transportwege in den Lebensmittelmarkt und keine Verpackungen, abgesehen von den Papiertütchen für die Samen.
Die Anzucht kann auf der möglichst hellen Fensterbank in unterschiedlichen Substraten erfolgen. Da der Keimling sich sozusagen aus den Nährstoffreserven des Samenkorns versorgt, funktioniert der Anbau auch ohne Erde in Ersatzsubstraten wie Watte recht gut.
Nach meiner Erfahrung ist in „echter“ Erde das Wachstum dennoch besser und der Geschmack der Keimlinge intensiver. Einige Saaten wie Sauerampfer oder Mangold lassen sich außerdem für eine Ernte als Baby-Leaf-Gemüse indoor kultivieren, dies allerdings nur in nährstoffreicher Erde.
Besondere Inhaltsstoffe
Die winzigen Blattgemüse beinhalten vor allem auf natürlichem Substrat ein ordentliches Paket an Vitaminen, Mineralstoffen, sekundären Pflanzenstoffen und hochwertigem Eiweiß.
Die Inhaltsstoffe können sortenabhängig variieren, ihre Konzentration ist in den Keimsaaten jedoch meist wesentlich höher als im ausgewachsenen Gemüse. Dies gilt auch für ohnehin sehr inhaltsreiche Gemüsesorten wie Grünkohl oder Brokkoli. Daher haben Microgreens den Ausdruck „Superfood“ durchaus verdient.
Saatgut
Kauft man Saatgut für Microgreens, überrascht oft der Preis gegenüber Samen derselben oder einer ähnlichen Sorte für den Anbau als Gemüse. Samen für Microgreens werden in wesentlich größeren Portionen angeboten bei einem vergleichsweise niedrigen Preis.
Warum ist dies so?
An den Beispielen Brokkoli oder Radieschen lässt sich dies gut veranschaulichen: Eine Gemüsesorte für den Anbau als ausgewachsenes Gemüse – in diesem Fall der Ernte einer gut ausgebildeten Brokkoli-Rose oder eines großen und schön geformten Radieschens – wird züchterisch begleitet. Durch Auslese wird sichergestellt, dass die Sorteneigenschaften erhalten und verbessert werden. Bei einer Saatgutvermehrung für Microgreens spielt dies keine Rolle, da die Nachkommen als Keimlinge oder spätestens als Baby-Leaf-Gemüse geerntet werden.
Die Sorte muss also nur angebaut und vermehrt werden – ohne Selektion und züchterischen Aufwand. Daher sollten Samen, die für Microgreens angeboten werden, nicht für die Ernte von Brokkoli-Rosen oder Wurzelgemüse angebaut werden. Das Ergebnis würde vermutlich enttäuschen.
Große Vielfalt
Über den Winter bauen wir selbst regelmäßig Microgreens an. Unsere Favoriten sind dabei die Erbsen-Keimsaat mit einer durchaus nennenswerten Erntemenge und Keimlinge von roten Radieschen, die ebenfalls sehr ergiebig und überaus geschmackvoll sind.
Empfehlenswerte Keimsaaten sind außerdem die meisten Kohlgemüse und weitere Radieschen- und Rettichsorten sowie Blattgemüse wie Gartenrauke und Asia-Salate.
Mittlerweile werden immer weitere neue Gemüse- und Kräuterarten für Microgreens angeboten. Ob tatsächlich all diese Saaten für Microgreens geeignet sind, sei einmal dahingestellt, ein Ausprobieren lohnt sich jedoch sicherlich.
Radieschen und Rettich – Raphanus sativus
Radieschen und Rettiche sind ideale Keimsaaten, sowohl was ihren Geschmack als auch die rasche Keimung und die gesunden Inhaltsstoffe betrifft. Zudem variiert die Blattfarbe von verschiedenen Radieschen- und Rettichsorten von Grün bis Dunkelrot. Die roten Varianten bringen viel Farbe in den Salat oder auf das Brot. Der Geschmack ist fein-scharf mit Radieschen-Aroma oder etwas intensiverem Rettich-Aroma.
Brokkoli und Grünkohl – Brassica oleracea u.a.
Auch die verschiedenen Kohlgemüse keimen rasch und zuverlässig. Im Geschmack sind sie milder, süßlicher und dennoch würzig, mit weniger intensiven Kohlaroma als ihre ausgewachsenen Verwandten. Kohl verfügt über besonders viele und für unsere Gesundheit wichtige Inhaltsstoffe. So soll eine Handvoll Brokkoli-Keimsprossen neben anderen Vitaminen und Mineralstoffen ebenso viele Antioxidantien enthalten wie vergleichsweise 1,5 kg Brokkoli aus dem Gemüseregal. Grünkohl enthält zusätzlich viel Kalzium und verfügt über einen hohen Eiweißgehalt, was für eine fleischarme Ernährung besonders interessant ist.
Erbsen – Pisum sativum
Erbsenkeimsaaten benötigen für ihre Entwicklung etwas mehr Zeit. Dafür kann man sie bis zur Ernte innerhalb von 15 bis 20 Tagen fünf bis sieben Zentimeter hochwachsen lassen. Dann erst wird geschnitten. Die Erbsensaaten ergeben eine durchaus ergiebige Ernte, die auch für Wok-Gerichte verwendet werden kann. Der Geschmack ist nussig, ähnelt in der Süße Erbsen und erinnert an junge Maiskölbchen. Werden nicht die kompletten Triebe geschnitten, ist ein zweiter Austrieb möglich, der jedoch nicht mehr so zart ist. Erbsenkeimsprossen punkten ebenfalls mit ihrem Eiweißgehalt sowie durch Inhaltsstoffe wie essenzielle Aminosäuren, Vitamine und Mineralien. Erbsenkeimsprossen solltest du nur in Erde anziehen, nährstoffarme Substrate sind nicht ausreichend für die Entwicklung des jungen Erbsengrüns.
Worauf du beim Anbau von Microgreens achten solltest
Benutze am besten wasserdichte Gefäße, wie quer aufgeschnittene Tetrapacks, oder besorge dir langlebige Schalen aus Keramik oder Kokosnusshälften im spezialisierten Handel. Plastik- und Aluminiumschalen sind nicht lange haltbar und belasten die Umwelt.
Als Aussaatsubstrat kannst du chlorfrei gebleichte Bio- Watte, Hanf-Pads, Kokosfasersubstrat, Bio-Anzuchterde oder reifen, fein gesiebten Kompost verwenden.
Manche Anbieter empfehlen, größere Samen wie Erbsen oder auch Radieschen vor der Aussaat in Wasser einzuweichen, um die Keimung zu beschleunigen. Nach unseren Erfahrungen ist dies jedoch nicht unbedingt notwendig.
Beachte bei der Aussaat, ob deine Microgreen-Samen Licht- oder Dunkelkeimer sind. Die Samen von Lichtkeimern werden direkt auf das Aussaatsubstrat gestreut und hell gestellt. Dunkelkeimer werden mit etwas Erde bedeckt. Verwendest du Watte oder Pads für Samen von Dunkelkeimern, kannst du die Aussaatgefäße bis zur Keimung der Saaten beispielsweise mit einem Geschirrtuch abdunkeln.
Die Samen dürfen sehr dicht gesät werden, da sie ja schon bald nach der Keimung geerntet werden. Befeuchtet wird am besten mit einer Sprühflasche oder einer Ballbrause. Dabei gleichmäßig und nicht zu stark wässern, da die Samen sonst schimmeln können. Selbstverständlich sollen die Saaten auch nicht trocken werden. Damit vor allem Lichtkeimer nicht austrocknen, kannst du sie bis zur Keimung mit einer küchenüblichen Klarsichtfolie abdecken.
Haben die Keimlinge sortenabhängig ihre Erntegröße erreicht, erntest du mit einer Küchenschere und verwendest deine Microgreens ganz frisch. Lagern oder konservieren, wie z. B. durch Einfrieren, ist in der Regel nicht möglich.
Manchmal befinden sich noch Samenhülsen an den Keimblättern, die du nicht mitessen möchtest. Du kannst die Blätter in einer Schüssel mit kaltem Wasser kurz durchspülen, die Samenhülsen lösen sich dann von den Blättern und steigen nach oben.
Bei einigen Sorten von Microgreens bilden sich an der Stielbasis feine, helle Haarwürzelchen, was völlig in Ordnung und auch kein Schimmel ist.
Ernten kannst du sortenabhängig meist nach sieben bis 14 Tagen. Einige wenige Gemüsearten, die für Microgreens Verwendung finden, benötigen auch etwas länger.
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Der Text in diesem Artikel ist aus dem Buch:
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Annette Holländer erläutert die wichtigen Zusammenhänge zwischen Gärtnern und dem Klimawandel, geht auf die Dringlichkeit ein, unsere Böden zu schützen und zeigt am Beispiel ihres eigenen Gartens wie sich Permakultur und klimaangepasstes Gärtnern verwirklichen lassen.