Martina Krichbaumer gibt altes Wissen um die Kraft der Kräuter in der Küche und in der Volksmedizin weiter und lässt ins Brauchtum übernommene, traditionelle Kräuterverwendungen wieder aufleben.
Es hat Zeiten gegeben, in denen Frauen auf der Hut sein mussten, weil sie im Ruf standen, »was zu können«, eine kryptische Äußerung, mit der Frauen beschrieben wurden, die sich zum Beispiel mit Kräutern auskannten und die überhaupt einen starken Bezug zur Natur hatten. Zwar nahm man deren Dienste gerne in Anspruch, in der Regel in Fällen von Krankheit, aber wehe, der erwartete Erfolg blieb einmal aus. Nicht zuletzt Missgunst war oft schuld daran, dass eine »weise Frau« im Dorf bald als Hexe galt, deren Leben nicht selten auf dem Scheiterhaufen endete. Diese Zeiten sind gottlob vorbei und Martina Krichbaumer, Kräuterpädagogin in Mühlbach bei Vachendorf, ist sicher vor derlei Nachstellungen, wenn sie sich bemüht, das alte Wissen um die Kraft der Kräuter weiterzugeben. Und dieses Wissen hat zahlreiche Facetten. Da geht es einmal um die Verwendung traditioneller Kräuter in der Küche, also in der Ernährung. Bei so gut wie allen Kräutern gibt es auch einen medizinischen Aspekt, der für eine wachsende Zahl von Menschen mittlerweile wieder eine wichtige Rolle spielt.
Kräuter im Volksglauben
Wenn die Frühlingssonne das erste Grün aus dem winterkargen Boden lockt, zieht es Martina Krichbaumer hinaus. Sie weiß, welche Kräuter als Erste zu finden sind und wo sie wachsen. Wer es ihr gleichtut und sich auf den Weg macht, wird wohl zunächst auf Gänseblümchen stoßen. Der Volksmund spricht den ersten drei im Jahr gefundenen kleinen Blüten besondere Heilkraft zu, so man sie isst. Durch ihren Genuss bleibe man die kommenden zwölf Monate von Fieber verschont, heißt es. Man mag derlei überlieferten Volksglauben schlicht als Aberglauben abtun, der aber auch, ins Brauchtum übernommen, auf eine Gemeinschaft durchaus positiv wirken kann.
Kräuter im Brauchtum
Die Gartenbäuerin nennt hier als Beispiel die Gründonnerstagssuppe. Sie spielte früher auch in der Gemeinschaft eine nicht unbedeutende Rolle. So fanden Menschen, die sich einer Verfehlung schuldig gemacht hatten, nach vollzogener Buße oder auch nach erworbenem Ablass am Gründonnerstag wieder Aufnahme in die Gemeinschaft, was mit dem gemeinsamen Genuss der Suppe besiegelt wurde. Die Suppe wird aus dem ersten essbaren Grün des Frühlings gekocht. Wichtig ist dabei weniger die Art, wie sie zubereitet wird – etwa als sämige Suppe mit Kartoffeln und etwas Sahne oder als leichte, klare Kräuterbrühe –, die eigentliche Bedeutung liegt in der Zahl der Kräuter, die verwendet werden sollen, es sind deren neun. Hierin liegt auch der Ursprung des Ausrufs »Ach, du grüne Neune!« begründet.
Die grünen Neun
Das Scharbockskraut (Ficara verna) verdankt seinen Namen seiner Wirksamkeit gegen Skorbut, den Scharbock, eine früher gefürchtete Krankheit, die durch einen Mangel an Vitamin C hervorgerufen wird. Zu Beginn des Frühjahrs sind die zarten Blättchen der erste Vitaminlieferant in der Natur. Hat die Blüte eingesetzt, sollte man den Verzehr meiden, denn dann wird das Kraut eicht giftig. Es schmeckt bitter und verursacht ein unangenehmes, mitunter starkes Brennen im Hals. Auch für die Suppe ist eine sparsame Verwendung angezeigt. Der Giersch (Aegopodium podagraria) verdankt seinen hohen Bekanntheitsgrad nicht etwa seinen positiven Eigenschaften als eines unserer ältesten Wildgemüse. Nein, Gärtner fürchten den Giersch als sehr schwer zu eliminierendes Unkraut. Man tut ihm bitter Unrecht. Allein die Zahl der Inhaltsstoffe ist beachtlich: Kalzium, Magnesium, Phosphor, Silizium, Vitamin C, um nur einige zu nennen. Der Giersch wirkt entgiftend, blutreinigend und Harnsäure treibend, was ihm zum Beinamen »Zipperleinkraut« verholfen hat. Allerdings sollte man beim Sammeln achtgeben, denn bisweilen wird der Giersch mit verwandten, aber giftigen anderen Doldenblütlern wie dem Schierling verwechselt. Wesentliche Merkmale: die Rückseite der Blätter muss matt sein und der Blattstielquerschnitt dreieckig. Geradezu kraftstrotzend gebärdet sich ein weiteres Kraut, das in die Suppe kommt, der Bärlauch (Allium ursinum). Es gibt Gerichte sonder Zahl, in denen nicht nur die zarten Blätter, sondern auch die Knospen und Blüten verwendet werden. Die Kräuterpädagogin rühmt ihn wegen seiner reinigenden Wirkung. Zudem senkt der Bärlauch den Blutdruck und wirkt antiseptisch. Ein Problem mag die Verwechslungsgefahr mit dem Maiglöckchen (Convallaria majalis) sein, doch sollte allein der Geruch des Bärlauchs vor einem Missgriff bewahren.
Ein weiterer Kraftmeier unter den Gründonnerstagskräutern von Martina Krichbaumer ist der Spitzwegerich (Plantago lanceolata). Abgesehen von seiner Rolle in der Frühlingssuppe dient er der Bekämpfung von Bronchialverschleimung, stärkt das Lungengewebe, hilft bei Lungenentzündung und lindert Asthma. Auch der Sauerampfer (Rumex acetosa) sollte nicht fehlen bei der Suppenzubereitung, doch Martina Krichbaumer rät zu sparsamer Verwendung. Ganz darauf verzichten sollten Menschen mit Herz-, Nieren- oder Rheumaerkrankungen. Hier wirkt die im Sauerampfer enthaltene Oxalsäure kontraproduktiv. Wer davon nicht betroffen ist, kann sich eine äußerst effiziente Kur angedeihen lassen. Dabei sollte über einen Zeitraum von wenigstens zwei Wochen täglich eine kleine Menge Sauerampfer in Form von Blättern oder auch von Saft genossen werden. Schon zwei Teelöffel Frischpflanzensaft am Tag haben eine außerordentlich positive Wirkung auf den Körper. Ein weiteres Kraut, dessen Eigenschaften großen Respekt verdienen, ist der Löwenzahn (Taraxacum officinale). So wirkt eine vierwöchige Löwenzahnkur wie ein Jungbrunnen auf Leber, Nieren und Bindegewebe. Trinken Sie dazu täglich zwei Tassen Tee oder nehmen Sie zwei Esslöffel frisch gepressten Löwenzahnsaft ein. Der Gartenbäuerin liegen auch die Schätze der Natur am Herzen, die oft leichtfertig als Unkraut geschmäht werden, wie zum Beispiel der Gundermann (Glechoma hederacea). Er ist überall zu finden auf Wiesen, an Feldrändern, ganz sicher auch im eigenen Garten. Seine Inhaltsstoffe wirken unter anderem schleimlösend und wohltuend auf Lunge und Magen. Für die Suppe sollte man wegen seines starken Eigengeschmacks allerdings nur wenig nehmen. Das gilt auch für die Schafgarbe (Achillea millefolium). Ein paar dieser zart gegliederten Blätter genügen bereits. Die Schafgarbe gilt in Form von Tee als das Kraut, das gegen die meisten Frauenleiden hilft. Empfohlen wird das Sammeln, wenn die Blüten, von der Sonne verwöhnt, einen Hauch von Rosa zeigen. Martina Krichbaumers Favorit unter den Kräutern aber ist die Brennnessel (Urtica dioica). »So grün und so viel Lebenskraft, die Einfachheit – das ist das Geheimnis der Brennnessel«, schwärmt die Kräuterpädagogin. So wirkt der Genuss der zarten Spitzentriebe zum Beispiel als Gemüse oder in Form eines Saftes, der aus der ganzen Pflanze zubereitet wird, blutbildend, der Blutdruck sinkt, das Blut wird gereinigt, der Stoffwechsel angeregt und auch auf den Cholesterinspiegel wirkt die Brennnessel positiv, um nur einige der willkommenen Eigenschaften zu nennen. Kräuter sammeln Achten Sie beim Sammeln der »Grünen Neun« darauf, nicht neben befahrenen Straßen zu sammeln, sonst sind die an sich gesunden Kräuter mit ungesunden Stoffen belastet. Meiden Sie auch viel gedüngtes Grünland. Sammeln Sie immer junges und frisches Grün. Vergessen Sie nicht, das Sammelgut immer gründlich zu waschen, bevor Sie es verarbeiten. Es können sich Hinterlassenschaften von Haus- und Wildtieren darauf befinden.
Copyright: © Peter Raider/BLV Buchverlag
Die Fotos und der Text in diesem Artikel ist aus dem Buch:
Gunter Kasper / Peter Raider
Garten-Praxis vom Land – Das Wissen der Gartenbäuerinnen
Preis: €(D) 22,00 / €(A) 22,70 / sFr 31,50
ISBN 978-3-8354-1753-3
Was ist eigentlich eine Gartenbäuerin und was unterscheidet sie von einer normalen Bäuerin? Das erklärt Autor Gunter Kasper in seinem Buch „Garten-Praxis vom Land“ (BLV Buchverlag) und porträtiert 18 Bäuerinnen in ihren Gärten. Dabei haben sich die Gartenbäuerinnen – die im Grunde auch Landfrauen sind – auf unterschiedliche Gartenarten spezialisiert: Obst-, Gemüse-, Kräuter- oder Blumengarten. Gerlinde Berger ist die Meisterin der Rosen, Marianne Aschauer zeigt in ihrem Gemüsegarten, dass Rote Bete nicht nur sehr gesund, sondern auch vielseitig ist. Evi Reiter ist überzeugt: „Unkraut gibt es nicht“ und öffnet ihren Kräutergarten für Küche und Gesundheit.